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Ich tu nur so, als hätte ich mich noch nicht ganz erholt. Das
erspart mir das Büro. Schlimm, nicht wahr?“
„Weiß ich nicht. Sie arbeiten
in einem Büro?“
„Ja. In der Weinhandlung
Henri-Marc in Bercy.“
„Kann man dort am Eingang auf
Sie warten? Wenn Sie arbeiten, meine ich...“
„Warum?“
„Werd’s Ihnen sagen. Ich
verlange weder Entschuldigungen noch Schadenersatz, aber... Na ja, dieser
Lancelin hätte mich beinahe über Bord geworfen. Und das ist auch ein wenig Ihre
Schuld.“
„Dann sind wir ja quitt“, sagt
sie lachend. „Aber ich verstehe nicht... und der Zusammenhang zur Weinhandlung
„Sie haben hübsche Beine
Bei meinen Worten stellt sie
ihre Beine anders hin. Aber dadurch werden sie auch nicht bis zu den Knöcheln
versteckt. Dafür ist das Kleid zu eng.
„Ich hab Ihre Beine gesehen und
bin Ihnen nachgegangen. Wenn Sie nicht in die Achterbahn gestiegen wären, wär
ich auch unten geblieben.“
Fünf Minuten lang erzähle ich
ihr solche Plattheiten. Kommt nichts Gescheites dabei raus. Dann gehe ich ohne
Übergang zu ernsthaften Dingen über. Halte ihr ganz plötzlich Lancelins Visage
(die vorzeigbare!) unter die Nase.
„Ist das ‘ne Geheimwaffe?“ fragt
sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Das ist unser lieber
Lancelin“, erkläre ich.
„Ach! Nein wirklich, den hätte
ich nicht wiedererkannt. Allerdings hab ich ihn auch so gut wie gar nicht
gesehen. Sah gar nicht schlecht aus, hm? Etwas verschlagen, vielleicht. Die
Augenbrauen so dicht beieinander...“
„Hierauf sieht er auch nicht
schlecht aus...“
Ich zeige ihr die Fotos von der
Morgue. Sie gibt sie mir schnell wieder zurück.
„Puh! Tun Sie das weg. Sagen
Sie mal, müssen Sie mir so was Schreckliches zeigen?“
Ich sehe verlegen zu Boden. Sie
muß lachen.
„Also wirklich, Sie wissen mit
Frauen umzugehen!“
„Nicht wahr? Entschuldigen Sie,
aber ich hab heute nicht meinen besten Tag...“
Ich gebe ihr die Hand.
„Kann ich Sie wiedersehen?“
frage ich.
„Wenn Sie sich wieder erholt
haben, warum nicht?“
Dann fügt sie ironisch hinzu:
„Wissen Sie, ich werde Ihnen
auch dann nicht sagen können, daß ich Lancelin kannte. Ich kannte ihn nämlich
nicht. Aber das war es gar nicht, was Sie wissen wollten, hm?“
„Doch.“
„Und was hätten Sie daraus
geschlossen?“
„Keine Ahnung. Auf Wiedersehn.“
Ich geh zu meinem Wagen zurück,
steige ein und bleib erst mal so sitzen. Komm mir vor wie ‘n Trottel. Bin auch
einer. Hab gedacht, das Mädchen hätte Lancelin gekannt, hätte mit ihm unter
einer Decke gesteckt, hätte ihre Beine ins Spiel gebracht, um mich auf die
Achterbahn zu locken. Ich wollte sie überrumpeln. Das ist schiefgegangen. Bin
so klug wie vorher.
Ich fahre los. Rue de
Charenton. Charenton. Früher oder später komme ich dahin. Ich biege nach rechts,
halte an der Ecke Rue des Fonds-Verts. Ich steige aus und gehe in das Bistro an
der Ecke. Im Telefonbuch such ich die Nummer der Weinhandlung Henri-Marc.
„Hallo? Ist dort die
Weinhandlung Henri-Marc?“
„Ja, Monsieur.“
„Ich möchte gerne mit Mademoiselle
Blanchet sprechen.“
„Mademoiselle Blanchet ist
nicht im Hause, Monsieur.“
„Aber sie arbeitet doch bei
Ihnen, oder?“
„Ja. Warum
Ich lege auf. Dann setze ich
mich wieder ins Auto.
Ich denke an die Freunde, mit
denen Geneviève Lissert auf der Foire du Trône zusammenwar, als sie den
Unfall hatte. Namen und Adressen hab ich in der Tasche. Mit der Begeisterung,
mit der ich zu meinem Sachbearbeiter ins Finanzamt gehe, beginne ich die Runde.
Als erste treffe ich Philippe
Laubart und Josée Roux. Josée mit zusätzlichem e für phine. Vielleicht wollen sie heiraten, was weiß ich, jedenfalls trinken sie zusammen
einen Aperitif am Boulevard de Reuilly im gleichnamigen Bistro. Die beiden sind
mir praktisch keine Hilfe. Das ist jetzt ein Jahr her, verstehen Sie? Übrigens
haben wir damals alles schon der Polizei gesagt. War sowieso nicht viel. Wir
haben nichts gesehen, haben es erst gemerkt, als wir ausstiegen. Sagen Sie,
geht man uns damit jetzt wieder auf den Wecker, wegen der Sache, die gestern
passiert ist? Wirklich, wir hätten besser dran getan, an dem Tag nicht mit Gigi
wegzugehen. Wir... Ich zeig ihnen das Foto von Lancelin. Ratlose Gesichter.
Wissen Sie... Ja, ich weiß! Das ist jetzt ein Jahr her...
Square Georges-Méliès. Man
sollte hier mal was dran tun. Sieht furchtbar aus. Jacques Benoît wohnt auf der
anderen Seite, Rue Albert-Malet. Ein kräftiger
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