nmp12
Der Himmel sieht frisch gewaschen aus. Es regnet
nicht mehr. Aber erst seit kurzem. Alles ist naß. Wie vorausgesehen, hat sich
auf der Plane eine Lache gebildet. Keiner hat während der Nacht
weitergeschaufelt. Sicher, ich hätte nicht pennen sollen. Aber es war niemand
da. Ich verspüre so was wie Erleichterung.
Im Moment ist hier nichts zu
machen. Der Tag fängt gut an. Morgen nacht wird es
vielleicht nicht regnen. Ich werde wiederkommen. So oft wie nötig. Ich stecke
meinen Revolver ein, stelle den Sessel wieder an seinen Platz und verwische
auch alle anderen Spuren meiner Nachtwache. Dann gehe ich hinunter.
Auf der letzten Treppenstufe
bleibe ich wie angewurzelt stehen. Nestor, der Schlauberger! Er und seine
Nachtwache! Heute nacht war doch jemand hier, du
Blödmann! Aber der dynamische Detektiv hat geschlafen. Auf den Fliesen der
Küche sind ganz deutlich Spuren zu sehen, schmutzig und feucht. Und neben der
Tür zum ehemaligen Liebesnest und jetzigem Schlachthaus liegt ein Lappen oder
Handtuch oder so was. Gestern lag das noch nicht da.
Irgend jemand ist gekommen... und vielleicht
noch da.
Ich hole meinen Revolver wieder
raus und lausche. Nichts. Totale Stille. Auf Zehenspitzen wage ich mich in den
Salon. Niemand da. Auch nicht in der Küche. Jetzt ins Schlafzimmer. Zuerst
nehme ich den Lappen vom Boden. Er entpuppt sich als Unterhose. Bestimmt aus
Lecanuts Koffer. Bini, rue Vacon, Marseille steht auf dem Etikett. Ich
werf die Unterhose in die Ecke und betrete das Liebesnest. Leer. Gut. Der Kerl
ist also gekommen und wieder verschwunden. Direkt vor meiner Nase. Zum Glück
ist er nicht hochgekommen. Wer schläft, den kann man bequem abmurksen. Hätte
der Kerl bestimmt getan. Nächstes Mal muß ich ‘n paar Wachmacher schlucken.
Inzwischen... Warum ist er hergekommen, bei dem Regen? Verdammt! Sollte er
zufällig die Leiche mitgenommen haben? Ich stürze ins Badezimmer. Simone liegt
immer noch drin. Fängt so langsam an zu stinken. Schnell schließe ich die Tür
zu ihrem Sarg aus Keramik, Steingut und Porzellan. Da sehe ich in einer Ecke
des Zimmers Lecanuts Koffer. Offen, durcheinander, ganz kaputt, das Futter
zerrisssen. Wie Simones Leichenhemd. Aber diesmal war Wut nicht der Grund für
den Vandalismus. Jedenfalls nicht ausschließlich. Der Kerl hat was gesucht.
Deswegen der nächtliche Besuch, trotz des Regens. Aber was hat er gesucht? Und
hat er gefunden, was er suchte? Nicht die leiseste Ahnung. Wenn ich hierbleibe,
werd ich nicht schlauer. Woanders allerdings auch nicht.
Ich laß alles so, wie es ist,
schließe sorgfältig die Türen hinter mir ab und gehe zu meinem Wagen, den ich
gut einen Kilometer weiter weg geparkt habe, vorsichtig wie ich bin.
Ich fahre nach Hause, stelle
den Wecker auf elf Uhr, lege den Hörer neben’s Telefon und mich selbst ins
Bett. Die neue Methode des dynamischen Detektivs, speziell für diesen Fall
entwickelt: Schlafen als Hauptbeschäftigung.
15
Der Wein ist abgefüllt
Mein Wecker spielt mir einen Streich.
Funktioniert einfach nicht. Als ich die Augen öffne, ist der Mistral schon längst durch Fontainebleau durch. Chris sitzt in einem luxuriöser
ausgestatteten Waggon als dem von Bébert. Ich rufe Montolieu an. Teil ihm mein
Bedauern mit, seine Stieftochter versetzt zu haben. Ja, sagt er, Christine sei
tatsächlich enttäuscht gewesen. Wir hoffen beide, daß diese unbedeutende Panne
dem guten Verlauf der Reise nicht schaden wird.
Dann gehe ich spazieren, um
irgendwie die Zeit totzuschlagen. In den Zeitungen steht nichts von dem, was
mich interessieren könnte. Florimond Faroux hält die Festnahme von Troyenny,
dem Feuerschlucker, immer noch geheim. Auch nichts über die Ermittlungen
aufgrund Montolieus Aussage, die von den Flics unter den möglichen Bekannten Lecanuts
durchgeführt wurden. Ich nehm die vermischtesten der Vermischten Nachrichten unter die Lupe. Weder von den Nachbarn noch von den Arbeitgebern ist Simone
Blanchets Verschwinden gemeldet worden.
Ganz langsam naht die Stunde,
zu der ich wieder nach Saint-Mandé fahren muß, zurück auf meinen Wachposten.
Der Himmel ist klar. Die Nacht wird wunderbar geeignet sein für Erdarbeiten.
Heute bin ich vorsichtiger. Während der üppigen Mahlzeit, die ich mir gönne,
schlucke ich eine Dosis Aufputschtabletten. Dagegen wirken Martine Carol und
Brigitte Bardot zusammen wie das reinste Schlafmittel. Wieder parke ich den
Wagen weit weg von der Rue Louis-Lenormand. Das letzte Stück gehe ich zu
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