No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Regel stehen in ausreichendem Maße wettbewerbsrechtliche Instrumente zur Verfügung, mit denen eingegriffen werden kann, um nötigenfalls eine faire, kompetitive Marktsituation wiederherzustellen. Ob das auch tatsächlich geschieht, hängt vom politischen Willen und von der politischen Großwetterlage ab: Sind die Wettbewerbsbehörden und ihre Praktiken eher lax? Oder herrscht die Überzeugung vor, dass die Garantie gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle eine wesentliche sozial-gesellschaftliche Aufgabe ist?
Zu unserem Erstaunen wird manchmal ein Unternehmen marktbeherrschend, obwohl es keine heimlichen Absprachen mit anderen getroffen hat, sich nicht schlecht benommen hat und auch nicht mit einer anderen Firma fusioniert ist. Die Eigentümer solcher Firmen werden oft in den höchsten Tönen gelobt, weil sie anscheinend gute Unternehmer sind. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass wir es eigentlich gesellschaftlich inakzeptabel finden, wenn einzelne Unternehmen Märkte beherrschen, und zwar erst recht, wenn es um sensible Bereiche geht, also um Kunst und Kultur, um Nachrichten, Medikamente oder Lebensmittel. Warum diese Unternehmen so groß geworden sind, spielt für dieses Empfinden dann gar keine Rolle mehr.
Dass Unternehmen allein aufgrund ihrer Größe den Märkten Standards vorgeben können, dass sie Konsumenten, also Bürger, beeinflussen können und das unternehmerische Handeln vieler anderer, kleinerer Firmen beträchtlich erschweren können, kommt in den meisten Abhandlungen über Wettbewerb oder Kartellrecht nicht zu Sprache – schon gar nicht in politischen Strategiepapieren. Wie ein Glaubensbekenntnis beten vielmehr zahlreiche Autoren die Lehre herunter, Marktmacht sei an sich kein Problem und führe auch nicht zwangsläufig zu wettbewerbsfeindlichem Verhalten. Anscheinend wollen diese Autoren nicht in den Verdacht eines big business bashing geraten (siehe Chiscenco 2009: 13). Aber das wäre ein sonderbarer Vorwurf. Erfolgreiche Unternehmer darf man durchaus bewundern, auch wir tun das. Aber es gibt eben noch andere Interessen, die man nicht vernachlässigen sollte. Dem Wirtschaftswissenschaftler M. A. Utton ist dieses Problem durchaus bewusst, wenn er schreibt, dass auch »Talent, Voraussicht und Fleiß« zu Marktdominanz führen können. Sein Fazit: »Es wäre dumm, das Wettbewerbsrecht als Instrument einzusetzen, um jene zu bestrafen, die besonders effizient und innovativ waren.« (Utton 2005: 43)
Entscheidend ist in dieser Analyse der Begriff »bestrafen«. Wenn eine Gesellschaft zu dem Schluss kommt, dass es in ihrem Interesse liegt, keine marktbeherrschenden Unternehmen zu haben, und dabei klar artikuliert, wo die Grenze ist, dann wird zunächst einmal niemand bestraft. Oder betrachten wir etwa Steuern als eine Strafe? Zugegeben, Steuern beeinflussen die Möglichkeiten der Profitmaximierung und bedeuten letztlich, dass ein Unternehmen nicht einfach machen kann, was es will. Aber mit Steuern muss man rechnen, und sie werden hoffentlich auch akzeptiert, weil sie zum Leben und zum Geschäftemachen dazugehören. Eine solche Haltung sollte man auch dazu entwickeln, dass die Gesellschaft beschließen kann, im Interesse effektiver und funktionierender Rahmenbedingungen die zulässige Größe von Unternehmen zu beschränken. Das sind eben die Regeln des Spiels. Ein Unternehmer bewegt sich nicht im luftleeren Raum, sondern in einem sozialen Kontext, bei dem auch die Interessen und Ansprüche der Bürger eine Rolle spielen.
Sechstens fällt auf, dass wir die Mitspracherechte, die uns als Mitgliedern der Gesellschaft zustehen, offenbar nicht mehr gewöhnt sind. Wir könnten großen Einfluss auf die vorherrschenden Marktstrukturen ausüben, aber wir tun so, als wüssten wir das nicht. Wir haben anscheinend sogar Angst davor. An dieser Stelle sei ausdrücklich auf den Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz und seine Vorschläge zur Regulierung des Bankensektors verwiesen. Vieles davon deckt sich mit unseren Überlegungen zur Einschränkung der Marktmacht von großen Unternehmen der Kultur- und Medienindustrie. Stiglitz zufolge hat sich eine ungesunde Dynamik entwickelt: »Die Großbanken haben gegenüber anderen einen Wettbewerbsvorteil, der jedoch nicht auf echter wirtschaftlicher Stärke basiert, sondern auf den Verzerrungen, die von der stillschweigenden staatlichen Bürgschaft herrühren.« Und weiter: »Wie dynamisch die US-Volkswirtschaft auch immer sein mag – die
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