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No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

Titel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke van Schindel , Joost Smiers
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unabhängig davon, ob ein konkurrierendes Unternehmen da rüber klagt. Wie auch immer Marktbeherrschung letztlich definiert wird – sie sollte an und für sich tabu sein. Entsprechend müssten die zuständigen Behörden von sich aus den Markt beobachten und nötigenfalls eingreifen, wenn sie feststellen, dass bestimmte Unternehmen doch zu stark geworden sind. Diese müssten sie dann zwangsweise in kleinere Einheiten aufsplitten, inklusive aller Unternehmenswerte.
    Den nötigen Spielraum, um dies zu realisieren, eröffnet der Vertrag von Lissabon – zumindest innerhalb der Europäischen Union, auf die wir uns hier beschränken möchten. In Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, der durch den Vertrag von Lissabon geändert wurde, heißt es unter anderem: »Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft [hin].« In diesem Absatz 3 von Artikel 3 wird deutlich, dass die Europäische Union den Markt ganz und gar nicht für heilig und unantastbar hält. Im Gegenteil, die Interessen der Allgemeinheit sollen ebenfalls eine Rolle spielen. Von »ausgewogenem Wirtschaftswachstum« kann aber keine Rede sein, wenn gewisse Marktsegmente von einigen wenigen Unternehmen kontrolliert werden. Man wird schwerlich behaupten können, eine Marktwirtschaft sei »in hohem Maße wettbewerbsfähig«, wenn einzelne Unternehmen diesen Anspruch durch ihre marktbeherrschende Stellung zu einer reinen Lachnummer machen. Außerdem soll der Markt nicht nur »in hohem Maße wettbewerbsfähig«, sondern auch noch »sozial« sein, und, wie es am Anfang der Formulierung lautet, »nachhaltig«. Man ist also keineswegs dazu verurteilt, passiv zuzuschauen, wie die Märkte sich entwickeln, und das Ergebnis dieser Entwicklung schicksalhaft hinzunehmen. Erst recht nicht, wenn dieses Ergebnis aus vielen Gründen, die wir bereits ausführlich erläutert haben, nicht akzeptabel, ja sogar ineffizient ist. Im Gegenteil, der Staat muss dann mithilfe des Wettbewerbsrechts selbstständig einschreiten. Das ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union. Und es bedeutet einen schweren Rückschlag für das Dogma des Neoliberalismus, demzufolge Märkte sich so unreguliert wie möglich entwickeln sollten, weil das angeblich für uns alle am besten ist.
    Die Frage ist nun, ob der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der durch den erwähnten Vertrag von Lissabon ebenfalls abgeändert wurde, es ermöglicht, diese substanziellen und im Grunde revolutionären Ansätze in konkretes Wettbewerbsrecht umzusetzen. Hier gerät vor allem Artikel 102 in den Blick: »Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.« Im Folgenden wird erklärt, worin eine solche »missbräuchliche Ausnutzung« bestehen kann. Für uns ist das jedoch weniger interessant, wir konzentrieren uns vor allem auf den Kern, den Begriff des Missbrauchs. Häufig wird angenommen, dass vom Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nur dann die Rede sein kann, wenn das betreffende Unternehmen in irgendeiner Weise aktiv missbräuchlich handelt: wenn es also anderen Firmen das Leben schwer macht. Wenn nicht, dann scheint alles in Ordnung zu sein.
    Wenn wir nun allerdings zu Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union zurückkehren, lässt sich der Begriff Missbrauch viel umfassender interpretieren. Stellt man fest, dass ein bestimmtes Unternehmen realiter marktbeherrschend ist, so dürfte es sich dabei durchaus um einen Missbrauch handeln. Denn wenn das betreffende Unternehmen einen so unermesslichen Raum einnimmt, bleibt kein Platz mehr, um die unter anderem in Artikel 3 Absatz 3 formulierten Ziele auch tatsächlich zu verwirklichen. Diese beinhalten nicht zuletzt, dass bei der Regulierung von Märkten auch verschiedene Belange der Allgemeinheit einbezogen werden müssen. Unter anderem: »nachhaltige Entwicklung Europas«, »ausgewogenes Wirtschaftswachstum«, »in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft«. Von marktbeherrschenden Unternehmen ist da keine Rede.
    Für viele Bereiche

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