No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
der Kultur, wozu wir auch Entertainment und Design zählen, ist darüber hinaus die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wichtig, die ebenfalls zum Vertrag von Lissabon gehört. Dort heißt es in Artikel 11 Absatz 2: »Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.« Eine Pluralität der Medien ist mit supergroßen Mega-Content-Konzernen nicht zu vereinbaren.
Vielleicht wäre es derzeit noch zu viel verlangt, dass Unternehmen ihrem Wachstum selbst Grenzen setzen sollen. Aber dann müssen eben die Wettbewerbswächter darauf drängen. Idealerweise wäre die Grenze des unternehmerischen Wachstums natürlich beim Erstellen des Businessplans und der Finanzierung bereits einkalkuliert.
Den Anhängern des Neoliberalismus wird unsere Herangehensweise an das Wettbewerbsrecht vermutlich ziemlich revolutionär vorkommen. Wer nicht oder nicht mehr an den Neoliberalismus glaubt, wird uns aber zustimmen: Märkte brauchen keineswegs sich selbst überlassen zu bleiben. Die Interessen der Allgemeinheit, die natürlich auch ökonomischer Art sind, gebieten es vielmehr, dass man die Regeln des Spiels nicht von einzelnen großen Unternehmen bestimmen lässt. Geschieht dies doch, so missbrauchen diese Unternehmen ihre Position auf dem Markt. Der englische Begriff des level playing field , also eines Spielfelds, auf dem gleiche Rahmenbedingungen für alle gelten, leitet sich von diesem Gedanken her. Leider haben sich in den letzten Jahrzehnten viele Ökonomen nicht mehr damit beschäftigt.
Wer meint, die Abschaffung des Urheberrechts sei der radikalste Teil unserer Analysen und Vorschläge, der täuscht sich. Natürlich ist schon dies allein eine Herausforderung, vor allem, wenn es dabei ohne große ökonomische Erschütterungen abgehen soll. Andererseits ist das Urheberrecht mittlerweile so umstritten, dass der Gedanke an seinen Untergang gar nicht mehr so fremd wirkt. Das gilt übrigens auch für andere Rechte des geistigen Eigentums wie etwa Patente.
Wie Märkte geordnet und strukturiert sind, wird hingegen viel weniger diskutiert. Dass es auf diesem Gebiet auch ganz anders aussehen könnte, wagen viele kaum auszusprechen. Wer weiß, wo man damit endet? Kommt man gegen die übermächtigen Konzerne überhaupt an? Wie soll deren Aufsplittung in kleinere Einheiten vor sich gehen? Bleibt am Ende noch eine funktionsfähige Wirtschaft über? Die Fragen wirken geradezu erdrückend. Dabei sind marktbeherrschende Unternehmen, ganz nüchtern betrachtet, von Menschen geschaffene Phänomene. Wir haben zugelassen, dass solche Kolosse entstehen, sie sind keine Naturgewalten. Und es gibt Alternativen. Im heutigen Digitalzeitalter steht eine Fülle an Kommunikationsmitteln bereit. Deshalb können auch mittelgroße Unternehmen problemlos weltweite Märkte bedienen. Zudem sind sie flexibler und oft innovativer als große Konzerne. Und vor allem laufen sie nicht Gefahr, vor dem Ruin gerettet werden zu müssen, weil sie als systemrelevant gelten: too big to fail.
Es ist unschwer zu erkennen, dass die kulturellen Märkte derzeit keineswegs so aussehen, wie wir sie uns vorstellen. Sind einzelne Unternehmen erst einmal exorbitant groß geworden, so wehren sie sich natürlich, wenn sie zerschlagen werden sollen. Auch gesellschaftliche Ängste spielen dabei eine Rolle. Wie stellt man das also am besten an? Geht dabei nicht ein großer Teil des investierten Vermögens in Rauch auf? Nachdem wir es in der Vergangenheit zugelassen haben, dass Unternehmen zu Riesen heranwachsen, stehen wir nun vor der Frage, wie wir diese Entwicklung rückgängig machen können, ohne dabei die Wirtschaft zu ersticken. Sind diese Firmen mittlerweile zu groß, als dass man ihnen noch beikommen könnte? Müssen wir uns fatalistisch damit abfinden, oder können wir als Gesellschaft die Kontrolle über den Markt zurückerlangen?
Wie wir gezeigt haben, steht mit dem Wettbewerbsrecht grundsätzlich ein geeignetes Instrument zur Verfügung. Sein Zweck ist klar definiert. Aber sich auch nur vorzustellen, wie es konkret gehen soll, ist ziemlich schwer. Wenn wir die Firmenkonglomerate von Rupert Murdoch oder Bertelsmann tatsächlich in kleine Stücke zerlegen und das Eigentum daran neu verteilen wollten, hätten wir einiges vor uns.
Andererseits, wenn wir weiter den Kopf in den Sand stecken und uns mit solchen komplizierten Fragen nicht beschäftigen, bleiben die kulturellen Märkte, wie sie sind, nämlich beherrscht von einzelnen Parteien. Das ist
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