No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
inakzeptabel. Übrigens würden die Unternehmenswerte, wenn wir die Kulturgiganten in viele kleine Teile aufsplitten würden, nicht einfach komplett verloren gehen. Sondern die nunmehr mittelgroßen Unternehmen könnten die vordem konzentrierten Eigentumswerte anteilig behalten. Insgesamt würde der Verlust, wenn überhaupt, wohl sehr begrenzt bleiben. Falls die Umstrukturierung am Ende nicht sogar noch einen Gewinn bedeutet. Denn gerade in der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es viele mittelgroße und kleine Unternehmen, die breit aufgestellt sind. Oft leben sie gerade nicht von wenigen Stars – anders als die Konzerne, die regelmäßig einen Großteil ihrer sonstigen Investitionen zum Fenster hinauswerfen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die weniger großen Firmen in Zukunft aus ihren Investitionen mehr herausholen. Ganz zu schweigen von der kulturellen Vielfalt, die dabei entstehen wird. Die wird nämlich für uns alle, als Individuen und als Gesellschaft, der größte Gewinn sein.
Keine Chance für Gelegenheitsdiebe
Wir kommen jetzt an den interessantesten Punkt unserer Untersuchung. Ist es unter den von uns aufgestellten Bedingungen denkbar, dass ein real funktionierender Markt entsteht, ohne dass Gelegenheitsdiebe die Gunst der Stunde nutzen, zuschlagen und sich aus dem Staub machen? Anders gefragt: Können Künstler, ihre Agenten, Werkmittler, Auftraggeber oder Produzenten auf diesen Märkten ein angemessenes Einkommen erzielen? Sind die Risiken einer solchen Unternehmung akzeptabel? Haben sie Grund, anzunehmen, dass ihr Werk mit dem nötigen Respekt behandelt wird?
Beginnen wir mit der Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Werk ohne Bezahlung von anderen genutzt wird. Steht zu befürchten, dass sofort nach Erscheinen eines Werks ein Konkurrent auftauchen wird, der ebenfalls wirtschaftlichen Gewinn aus dessen Verwertung ziehen will? Denn ohne Urheberrecht wäre dies ja grundsätzlich möglich. Aber aus verschiedenen Gründen ist die Gefahr vermutlich kleiner, als man denken könnte. Zunächst ist da der First-mover -Effekt zu nennen: Der ursprüngliche Verleger oder Produzent ist als Erster auf dem Markt, was ihm einen Vorsprung verschafft. Zwar kann dieser Firstmover -Zeitvorsprung in der Epoche der Digitalisierung auf wenige Minuten zusammenschrumpfen. Das ist aber an sich kein Problem, denn auf kulturellen Märken kommt es zunehmend darauf an, dass Künstler und ihre Geschäftspartner dem jeweiligen Werk einen spezifischen Wert hinzufügen, der nicht einfach nachgeahmt werden kann. Sich eine Reputation zu erwerben ist, wenn nicht die halbe Miete, so doch ein wesentlicher Faktor. Wir dürfen schließlich nicht vergessen, dass es unter den neuen Verhältnissen keine marktbeherrschenden Parteien mehr gibt. Ein konkurrierendes Unternehmen wird also nicht einfach so hergehen und sich ein kürzlich veröffentlichtes Werk unter den Nagel reißen können. Denn das würde nur Sinn ergeben, wenn das betreffende Unternehmen auch die Vertriebs- und Werbekanäle unter Kontrolle hätte. Stehlen bringt also nichts.
Obwohl »stehlen« natürlich der falsche Begriff ist, da es das Urheberrecht ja nicht mehr gäbe. Sprechen wir also statt von Dieben lieber von Trittbrettfahrern. Zwar könnte ein Unternehmen den Aufwand und die Kosten investieren, um ein bereits erschienenes Werk zum zweiten Mal auf den Markt zu bringen. Aber es wird immer zwanzig, dreißig, vierzig oder sogar noch mehr andere Unternehmen geben, die auf dieselbe Idee kommen könnten. Mit dieser Realität vor Augen scheint das skizzierte Szenario weniger wahrscheinlich, ja sogar sehr unwahrscheinlich. Schließlich würden die Investitionen, die dafür getätigt werden müssten, in Rauch aufgehen, wenn zahlreiche andere Player auf dem Markt ein ähnliches Trittbrettfahrerverhalten an den Tag legen würden, womit immerhin zu rechnen wäre. Der Erstverwerter würde also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch langfristig der einzige Verwerter eines Werks bleiben.
Die RIAA, die Record Industry Association of America, erklärt den Besuchern ihrer Anti-Piraterie-Webseite: »Die Diebe stürmen zum Gipfel und holen sich das Gold.« Dies würde die Plattenindustrie in den ökonomischen Ruin treiben, heißt es. Aber ökonomisch ergibt das Argument keinen Sinn, wie Michele Boldrin und David K. Levine auf ziemlich lustige Weise verdeutlichen: »Sich nur die Gewinner herauszupicken bedeutet, abzuwarten, bis klar ist, wer dazuzählt
Weitere Kostenlose Bücher