No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Außenpolitik eines Landes ernsthaft bestrebt ist, ein positives Bild der eigenen Nation zu vermitteln, so wird die nationale Kunst und Kultur dabei stets eine wichtige Rolle spielen. Auch private Firmen beteiligen sich am kulturellen Leben, weil das eine identitätsstiftende Wirkung hat. An erfahrenen Künstlern besteht also durchaus Bedarf. Aber seien wir ehrlich: Ihre ausgereiften Talente sind ihnen nicht einfach zugefallen, sondern sie haben sie sich erarbeitet, oft gegen den Strom und unter ökonomisch inakzeptablen Umständen. Als Gesellschaft können wir mit relativ geringen Mitteln einen großen Beitrag dazu leisten, diese Arbeit zu erleichtern – beispielsweise durch Kunstunterricht. Das ist gut investiertes Geld.
Gleichwohl ist uns bewusst, dass arme Länder Probleme damit haben werden, sich solche Investitionen leisten zu können, vor allem angesichts anderer, dringlicherer Nöte. Aber letztlich ist auch ein vielfältiges Kulturleben für die gesellschaftliche Entwicklung lebenswichtig. Wenn die Geldmittel – derzeit noch – zu knapp sind, um einen nennenswerten Beitrag zu leisten, sollte zumindest nicht ausgeschlossen werden, bestimmte infrastrukturelle Maßnahmen zu ergreifen, und seien es auch nur ganz grundlegende. Zum Glück ist heutzutage die Technik, mit der man Aufnahmen, Vervielfältigungen und Vorführungen von Ton- und Bildmaterial realisieren kann, von ziemlich hoher Qualität und trotzdem relativ billig. Für arme Länder kann sie trotzdem noch zu teuer sein. Für die Anschaffung solcher Technik sollten deshalb Gelder in den Budgets der Entwicklungshilfeprojekte vorgesehen werden. Wobei es natürlich nicht darum geht, einen Regen von Geschenken über diesen Ländern niedergehen zu lassen.
Nach der Lektüre unserer radikalen Vorschläge stellt sich manchem kritischen Leser vielleicht eine dringliche Frage: Wenn diese nun Realität würden, wie würde dann der Markt für Bücher, Filme, Musik, Theater, bildende Kunst, Design und allerlei Mischformen solcher Werke aussehen? Welche Akteure wären auf diesen Märkten tätig, und womit würden sie ihr Geld verdienen? Wie soll verhindert werden, dass doch wieder marktbeherrschende Unternehmen entstehen? Und vor allem: Wie stellen wir sicher, dass wir als Publikum nicht mehr mit Werbung überschüttet werden? Dass wir nicht passive Konsumenten bleiben, sondern aktive Bürger werden, die selbst entscheiden, was sie schön und was sie hässlich finden? Was passiert, wenn wir hemmungslos das Werk eines anderen bearbeiten oder es inhaltlich verändern?
Im nächsten Kapitel werden wir uns dieser Fragen annehmen und auf alle wesentlichen Phasen des Kunstschaffens eingehen, also auf die Produktion, den Vertrieb, die Promotion und die Rezeption. Über solche Fallstudien hinaus besteht natürlich weiterhin ein überaus großer Bedarf an detaillierten Untersuchungen, die nicht zuletzt Zahlenmaterial liefern sollten. Erst dann kann die Frage, wie sich Märkte entwickeln, wenn das herrschende Paradigma sich substanziell ändert, beantwortet werden.
4.
Das Unvorstellbare
Mini-Fallstudien
Werden Künstler, ihre Produzenten und Auftraggeber, wenn sie als Unternehmer auftreten, in Zukunft wirklich besser verdienen als heute? Bekommen wir eine blühende Kulturlandschaft, in der es keine Eigentumskonzentration mehr gibt? Wird dem Publikum ein breiteres Angebot an Kunst und Kultur zur Verfügung stehen, aus dem es freier als bisher wählen kann? Das sind weitere Fragen, die wir in diesem Kapitel aufwerfen, und zwar anhand von Mini-Fallstudien. Dabei werden die meisten unterschiedlichen Kunstsparten der Reihe nach behandelt. Wir werden keine ausgearbeiteten ökonomischen Modelle liefern, die auf einer soliden Datenbasis stünden. Dazu fehlten uns bislang die Mittel. Das Folgende ist eher ein Aufruf zum Mitdenken.
Um gleich mit der Tür ins Haus fallen: Sich wandelnde Zeiten bringen neue Produktions- und Vertriebsmöglichkeiten und daher auch neue Geschäftsmodelle mit sich. Das sieht man zum Beispiel an dem kanadischen Schriftsteller Cory Doctorow. Fans können seine Romane auf seiner Webseite herunterladen. Er betrachtet das nicht als Piraterie. Trotzdem kaufen auch viele Leute seine Bücher im Buchhandel, bei Amazon oder woanders. Manchmal werden seine Bücher sogar mit Gewinn weiterverkauft, zum Beispiel von Lesern aus Entwicklungsländern, und es kümmert ihn nicht. Warum eigentlich nicht? Ist Doctorow ein besonders großzügiger Mensch?
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