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No & ich: Roman (German Edition)

No & ich: Roman (German Edition)

Titel: No & ich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delphine de Vigan
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Koffer, von weitem sahen wir aus wie zwei Touristen auf der Suche nach ihrem Hotel.
    Wir suchten uns aufs Geratewohl einen Film aus, wir lagen tief in den Sesseln, No kaufte Popcorn, sie bestand darauf, wir teilten uns die Tüte während der Werbung, mir war ein wenig schlecht, aber ich wollte ihr eine Freude machen. Ich glaube, gegen Ende hat sie ein bisschen geschlafen, ich tat, als hätte ich nichts bemerkt, sie hatte ohnehin nicht viel verpasst. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir im Viertel, sie wollte immer nur kaufen, einen Schal für Lucas, Spangen für mich, Zigaretten, vor jedem Schaufenster blieb sie stehen, sie ging in die Läden, drängte mich, eine Kerze auszusuchen, Handschuhe, Ansichtskarten, immer wieder sagte sie, keine Sorge, und tätschelte ihren Blouson auf der Höhe der Innentasche. Ich musste so tun, als gefiele mir nichts, damit sie nicht alles Mögliche kaufte, ich konnte sie trotzdem nicht daran hindern, für sich und für mich eine Mütze auszusuchen, die gleiche. Gegen sechs setzten wir uns auf den Rand der Fontaine des Innocents, es war immer noch so kalt, wir teilten uns eine riesige Waffel mit Nutella und blieben sitzen, wir kommentierten die Leute, die vorbeikamen, sie bat mich, die Lebensgeschichten dieser Leute zu erfinden, wie früher, und ich ließ mir haufenweise Zeugs einfallen, immer verrücktere Sachen, um sie zum Lachen zu bringen. Ich redete, um zu vergessen, dass ich von zu Hause weggelaufen war, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, ich redete, um nicht an die Gesichter meiner Eltern zu denken, an ihre Sorge, an die Möglichkeiten, die sie bestimmt bereits in Betracht gezogen hatten, ohne wirklich daran zu glauben. Inzwischen war es so spät, dass sie wahrscheinlich Angst hatten, vielleicht hatten sie die Polizei benachrichtigt. Oder sie hatten gewartet, weil sie glaubten, ich würde zurückkehren, sie hatten Vertrauen zu mir, sie warteten immer noch. Ich sah meine Mutter auf dem Sofa, meinen Vater, wie er auf und ab ging, den Blick fest auf die Wohnzimmeruhr gerichtet. Es war dunkel geworden, ich hatte Angst, nicht dazu imstande zu sein, nicht die Kraft zu haben, ich verscheuchte das Bild, aber es kam zurück, wurde schärfer, ich verbannte es weit weg, ich hatte Lust, an diesem Ort zu sein, bei No.

    Es war mir plötzlich so einfach erschienen, aus seiner Untermenge auszubrechen, mit geschlossenen Augen der Tangente zu folgen, wie ein Seiltänzer auf einer Linie zu gehen, mein Leben zu verlassen. Es war mir so einfach erschienen. Und schwindelerregend.

    »Wir gehen nach Irland. Ich komme mit dir.«
    No wandte sich mir zu, ihre Nase war rot, die Mütze tief in die Augen gezogen, sie antwortete nicht.
    »Morgen nehmen wir vom Bahnhof Saint-Lazare den Zug nach Cherbourg, entweder ist es eine direkte Verbindung, oder wir müssen in Caen umsteigen. In Cherbourg gehen wir zum Hafen und kaufen Tickets, alle zwei Tage fährt ein Schiff, wenn ich es vorher gewusst hätte, hätte ich nachgesehen, wann genau, aber macht ja nichts, wir warten einfach. Und vom Hafen in Rosslare fahren Züge nach Wexford.«
    Sie blies in ihre Hände, um sie zu wärmen, sie blickte mich lange an, und ich sah, dass sie mit den Tränen kämpfte.
    »Willst du, dass ich mitkomme, ja oder nein?«
    »Ja.«
    »Willst du, dass wir morgen aufbrechen?«
    »Ja.«
    »Hast du genug Geld?«
    »Mach dir darum keine Sorgen, ich hab’s dir doch gesagt.«
    »Wir sind achtzehn Stunden auf der Fähre, versprichst du mir, dass du während der ganzen Überfahrt nicht kotzt?«

    Und dann schlugen wir uns in die Hände, um das Abkommen zu besiegeln, wir lachten, und zwar richtig laut, die Leute drehten sich nach uns um, aber das war uns scheißegal, wir würden nach Irland fahren, wo das Gras grüner ist und der Himmel weiter, wo No glücklich sein würde, wo Loïc sie erwartete. Ich sah der Spur unseres Atems in der Kälte nach und stampfte mit den Füßen auf, um wieder warm zu werden, dann standen wir auf und liefen einfach so herum. Es musste mindestens zehn Uhr abends sein, der Verkehr war nicht mehr so dicht, auf dem Boulevard Sébastopol gingen wir immer weiter Richtung Norden. Wir waren auf der Straße. Wir lebten auf der Straße. Wir hatten keinen Ort, wo wir schlafen konnten. No sagte mir, ich solle meine Mütze anziehen und mein Haar darunter stopfen, um nicht erkannt zu werden. Jeder Schritt an ihrer Seite entfernte mich von zu Hause, jeder Schritt in die Nacht erschien mir unumkehrbar. Ich hatte

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