No Sex in the City
Sie nahm ihren Mantel, der von der vergangenen Nacht noch klamm war, und marschierte in verletztem Stolz zu der großen altmodischen Tür hinaus. Katie sah ihr nach und fühlte sich schuldig und ärgerte sich dann, dass sie so viel Lebenszeit damit verschwendete, sich schuldig zu fühlen.
Mrs McClockerty steckte den Kopf zur Tür herein und sah demonstrativ auf die große Messinguhr an der Wand. Es war acht Uhr vierzig. Katie sprang auf, schuldbewusst.
5. Kapitel
Katie wusste nicht, was sie in der Stadt erwartete - sie hatte von der kleinen Bahnstation aus nicht viel davon gesehen. Nun war ihr erster Eindruck besser als befürchtet. Der Regen ließ allmählich nach, und die Sonne versuchte sogar, sich hinter einer blassen Wolke hervorzukämpfen. Die Stadt war winzig und um einen kleinen Hafen herumgebaut. Häuser in leuchtenden Farben bildeten die pure Postkartenidylle. Die Kulisse für eine freche Kinderfernsehserie schien sich aufzutun, und obwohl die Straßen wie leergefegt waren, konnte sich Katie das lebhafte sommerliche Gewu-sel hier gut vorstellen. Die kopfsteingepflasterten Straßen waren eng, und auf einem der Hügel über der Stadt thronte eine kleine Kirche. Die Forstverwaltung lag außerhalb, und so fuhr Katie bedauernd in die andere Richtung, wie es die undeutliche, gefaxte Straßenkarte von ihr verlangte.
Der Regen hörte tatsächlich auf, aber der Punto hatte immer noch Schwierigkeiten auf den schlammigen Straßen durch den dichten Wald. Erstmals war Katie in einer Gegend, wo sie die Vorteile eines dieser lächerlichen Geländewagen eingesehen hätte, die sonst mageren Blondinen dazu dienten, ihre Einzelkinder in die Schule zu transportieren und Radfahrer von der Straße zu fegen. Olivia, die meistens zur Arbeit radelte, hatte die Theorie aufgestellt, dass die Aufbauten am Kühler vorwiegend zur Befestigung von Blumensträußchen dienten, die an die in der jeweiligen Woche getöteten Fußgänger und Radfahrer erinnern sollten, an jene Opfer des
Umstands also, dass man aus der großen Höhe nichts und niemanden sah, zumal man ohnehin mit der Auffrischung des Make-ups alle Hände voll zu tun hatte.
Katie fragte sich, wie es wohl mit diesem Harry werden würde. Das Beste wäre wohl, wenn niemand auf die erste Begegnung zu sprechen käme. Immerhin hatte er gesagt, dass sie den Job haben könne, wenn sie wolle, oder? Auch wenn er das widerwillig getan hatte. Vielleicht würde er sie gar nicht wiedererkennen? Möglicherweise dachte er, dass alle Frauen in London gleich aussahen? Nervös strich sie ihren schlichten schwarzen Pullover und den weinroten Rock glatt. Alles würde gut werden. Sie würde ihren Job erledigen und dann heimkehren. Frische Luft atmen. Essen . Nun, Heringe und so ein Zeug vermutlich. Schnell verdrängte sie den Gedanken, wie überrascht er sein würde, wenn er herausfand, dass er Beraterpreise zu zahlen hatte und nicht vierundzwanzigtausend im Jahr.
Plötzlich erreichte sie eine Lichtung. Wie aus dem Nichts tauchte zwischen den Bäumen ein Haus auf. Es bestand aus einer Holzkonstruktion und war rautenförmig gebaut. Die Wände waren vollständig verglast und stiegen schräg aus dem grasbedeckten Waldboden auf. Man sah diesem Gebäude hundertprozentig an, wozu es gebaut war: als Büro des Waldes. Es war wunderschön.
Katie stieg aus dem schlammverkrusteten Auto und holte tief Luft. Innen sah sie verschwommen zwei Personen - vermutlich konnten die sie von dort viel besser erkennen. Sie starrte auf das Glas und fragte sich, wo die Tür war. In ihrer Fantasie sah sie sich bereits gegen eine Wand laufen und sich die Nase brechen. Vielleicht würde sie krankgeschrieben und könnte sofort nach Hause fahren. Und würde von der Krankenkasse eine Nasenkorrektur spendiert bekommen.
Sie hatte die Tür entdeckt und ging hindurch.
»Hallo?«, sagte sie vorsichtig. Keine Antwort. Sie hörte Stimmen und durchquerte das holzgetäfelte Foyer.
»Hallo?«
In dem großen, sauberen, offenen Raum mit der Traumaussicht steckten zwei Männer ihre Nase in eine Zeitung.
»Hallo?«
»Dieser Arschficker!«, brüllte plötzlich einer der Männer. Katie erkannte Harrys Stimme sofort.
Der andere Mann war etwas kräftiger, und seine Stimme hatte einen stärkeren Akzent. »Gott, wenn wir nur jemanden für die verdammten Zeitungen hätten.«
»Zu Befehl!«, rief Katie.
Die beiden Männer schossen herum, verblüfft.
»Ja?«, sagte Harry, und seine dunklen Augen schienen sie nach ihrem Begehr zu
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