no_way_out (German Edition)
Haut steckte. Und ich eine Riesenangst vor all dem hatte.
»Nimm das Bett und lass mich in Ruhe!«
Sie zuckte mit den Schultern und verzog sich ins Nebenzimmer. Ich dachte, sie würde die Tür hinter sich zumachen, doch sie ließ sie offen.
Völlig erledigt setzte ich mich auf die Längsseite der Eckbank, lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand und streckte die Beine aus. Ich brauchte einen Doc. Ziemlich bald. Bevor sich alles noch mehr entzündete. Die Tabletten lagen unten in der Schlucht. Smileys Spezialtrank auch. Ich musste mich irgendwie von den Schmerzen ablenken. Weil ich nicht an Edy denken wollte, dachte ich an Smiley.
Ich hätte bei ihm bleiben sollen. Es war gut gewesen bei ihm. So gut wie schon lange nichts mehr. Aber er war mir zu nahe gekommen. Oder ich ihm. Ich mochte diesen verrückten Kerl und war drauf und dran gewesen, ihm zu vertrauen. Das packte ich nicht. Ich brauchte niemanden, wollte niemanden brauchen und schon gar nicht jemandem vertrauen. Weil sie dich früher oder später doch verraten. Unabhängig bleiben, sich nur auf sich selbst zu verlassen, darum ging es. Nur für mich verantwortlich sein. Mehr konnte ich auch nicht. Das hatte ich bewiesen. Denn noch schlimmer als verraten zu werden, war es, jemanden zu verraten.
Ich hatte meine Schwester verraten.
Never forget . Das war mein erstes richtiges Tattoo gewesen, kein selbst gestochenes. Ich hatte die Schrift sorgfältig ausgewählt und mir den Text auf mein rechtes Handgelenk tätowieren lassen. Damit ich nie vergessen würde, was geschehen war. Es gab kein Vergessen, kein Verzeihen, kein Vertrauen.
Und jetzt saß ich hier und wartete auf einen, der sich meinen Freund nannte, ohne von mir zu verlangen, ihn auch so zu sehen. Weil es ihm reichte, meiner zu sein. So zumindest brachte er es rüber. Ich hatte keine Ahnung, wie es war, einen richtigen Freund zu haben, aber ich verließ mich darauf, dass Smiley kommen und uns abholen würde, bevor die Bullen oder Jakes Männer uns fanden.
Die Bullen. Wenn sie Hunde dabeihatten, würde es nicht lange dauern, bis sie hier waren! Trotz meiner Angst fielen mir die Augen zu. Ich glitt in den Bereich zwischen Wachsein und Schlafen, dort, wo man seine Träume steuern kann, und träumte mir eine Edy, die neben mir in der Sonne lag und in den gleichen Himmel schaute wie ich. Meine Hand war dicht neben ihrer, so dicht, dass ich sie berühren könnte, wenn ich meine Finger nach ihr ausstreckte.
»Warum kannst du das alles? Warum kannst du durch wilde Flüsse waten, dich wie ein Indianer im Wald bewegen und Felswände hochklettern?«
Meine Stimme zerriss den Traum. Der Himmel verschwand. Über mir flackerte die Petroleumlampe und warf zitternde Schatten in den Raum. Ich hatte laut geredet! Ich Idiot! Ich bescheuerter Vollidiot!
Angespannt wartete ich auf eine spöttische Antwort aus dem Nebenzimmer. Es kam keine. Schlief Edy? Ich riskierte einen Blick. Das Bett war leer, zumindest die Hälfte, die ich sehen konnte. Mein Herz schlug schneller. War sie gegangen, während ich in meiner Traumwelt versunken gewesen war?
Ich schoss viel zu schnell hoch. Eine Million Nadeln stachen in mein Bein, in meinem Kopf wirbelte alles durcheinander und einen Augenblick lang wurde es schwarz vor meinen Augen. Meine Hände fanden Halt am Tisch. Meine Gedanken schleuderten unkontrolliert im Kreis, bis einer hängen blieb, an den ich mich klammern konnte: Geh erst mal nachschauen.
Vorsichtig löste ich mich vom Tisch und schlich zur Tür. Falls Edy noch da war und schlief, wollte ich sie nicht aufwecken. In meiner Erinnerung brannte ein verächtliches Fickst du mich oder bringst du mich um? Die Vorstellung, diese Worte noch einmal ins Gesicht geschleudert zu bekommen, ertrug ich nicht.
Ich schaffte es, beinahe geräuschlos zur Tür zu gelangen. Das Licht der Lampe reichte nur schwach ins Nebenzimmer. Deshalb sah ich Edy erst, als ich schon dachte, sie wäre wirklich weg. Den Kopf auf den Knien ihrer angezogenen Beine, saß sie auf dem Bett, ganz in der Ecke. Das Schlimmste war der bebende Oberkörper. Ich musste ihr Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass sie weinte.
Sie hatte nicht ein einziges Mal geweint bis jetzt. Es machte mich fertig. Total fertig. Wäre ich ein ganz normaler Typ gewesen, so ein netter Kerl mit einem richtigen Leben, dann hätte ich mich neben sie setzen, sie in den Arm nehmen und trösten können. Aber ich war kein normaler, netter Kerl. Ich war der Scheißkerl, der schuld daran war,
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