no_way_out (German Edition)
dass sie in dieser Hütte hockte und weinte.
Wacklig und zittrig vor Elend zog ich mich auf die Bank zurück, ohne eine Ahnung zu haben, was ich tun sollte. Vielleicht wäre es das Beste, einfach zu verschwinden. Smiley oder die Bullen würden Edy finden und sie in Sicherheit bringen.
»Ich kann das, weil mein Vater all diese Dinge mit mir gemacht hat. Wir …« Edys Stimme versagte. Sie versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken. Es gelang ihr nicht. Das Weinen brach aus ihr heraus wie heiße Lava. Es kam von tief innen, von dort, wo man Dinge einschließt, die man für immer wegschließen will, weil sie zu wehtun.
»Nicht weinen«, flüsterte ich die Worte, die ich meiner Schwester zugeflüstert hatte, wenn sie traurig gewesen war. »Nicht weinen, es wird alles wieder gut.«
Was für ein sinnlos leeres Versprechen. Es war nicht gut geworden, weder für mich noch für meine Schwester. Es würde auch für Edy nicht gut werden. Ihr Vater und ihre Mutter waren tot. Wie sollte da je wieder irgendetwas gut werden?
Edy konnte mich nicht hören. Sie weinte die ganze Lava aus sich raus und ich saß auf der Bank und drückte meine Faust gegen die Wunde am Bein, weil ich nicht wusste, wie ich das Weinen sonst aushalten sollte.
»Es war ein Test«, sagte Edy heiser, nachdem das Weinen aufgehört hatte. »Das mit dem Foto deiner Schwester war ein Test.«
»Nicht«, flüsterte ich. Das Tor zu meinem Inneren war weit offen. Wenn Edy jetzt weiterredete, würde sie in dieses Innere eindringen und es gab nichts, was mich davor schützen konnte. »Nicht«, bat ich sie, diesmal laut genug. »Ich will es nicht wissen.«
In der Hütte wurde es still, in mir drin extrem laut. Test!, schrie es. Test, Test, Test! Ich versuchte, meine Gedanken zurück zu Smiley zu lenken. Es ging nicht, denn Edy erklärte es mir, ob ich wollte oder nicht.
»Es war schon lange nichts mehr echt in meinem Leben. Nicht einmal ich war mehr echt. Alles gespielt, alles eine große Lüge, alles ein So-tun-als-ob. Das Leben geht weiter, die Zeit heilt alle Wunden, man muss vorwärts schauen, der ganze Mist, den dir die Leute erzählen, wenn jemand stirbt, den du liebst. Aber man erwartet von dir, dass du darüber hinwegkommst, irgendwann geht den Menschen um dich herum die Geduld aus. Sei doch wieder fröhlich, dein Vater hätte das auch gewollt, lächle, für ihn. Also habe ich gelächelt, aber innerlich war ich tot. Mam hat auch gelächelt. Für mich. Für Jake. Für alle anderen. Das Leben ging weiter. Ich spielte eine Edy, die ich nicht war, und ich verlor das Gefühl für das Echte. Als Jake dich nach Hause brachte, traute ich dir nicht. Du warst für mich einer mehr, der Mam wehtun würde. Ich habe deine Sachen durchwühlt und dabei das Foto gefunden. Ein abgegriffenes Stück Papier, das aussah, als würdest du es regelmäßig aus der Schachtel nehmen und dir anschauen. Oder es irgendwelchen Frauen zeigen, die deine Mutter sein konnten, um dich in ihr Herz zu schleimen. Ich wollte wissen, warum du das Foto aus der Schachtel nimmst. Ob du echt bist oder nicht.«
Deswegen hatte sie sich über mich gebeugt. Sie hatte die Tränen sehen wollen.
»Du bist echt«, sagte Edy. »Ich wusste es schon, bevor ich am Fluss unten all die gemeinen Sachen zu dir sagte. Es tut mir leid. Ich glaube, ich bin ein ziemliches Ekel.«
Nein, wollte ich sagen, das Ekel bin ich, und du bist echt, ich habe die echte Edy gesehen, lange nach Smiley, der immer alles Echte sofort erkennt, weil Menschen wie er das fühlen, aber ich konnte nicht. Mein Körper wurde von einem Erdbeben der Stärke 8,0 erfasst. Das Epizentrum lag ganz tief in mir drin und erschütterte mich, wie damals, an meinem ersten Abend im Heim, nachdem ich von meiner Schwester getrennt worden war.
Eine Flutwelle rollte auf mich zu. Mindestens achtzehn Meter hoch. Sie brach über mir zusammen und begrub mich unter sich. Genau in dem Moment kamen sie.
steff gurin @guitarman_steff
Best of Songzitate: Feels like I’m knocking on Heaven’s door. #Dylan #Guns N’Roses
Der Wagen hielt oben an der Straße. Mir war sofort klar, dass es nicht Smiley war, denn Smiley hatte gesagt, er würde über den Waldweg bis zur Hütte fahren. Ich war voll da. Als stünde ich unter Strom. Sogar mein Kopf funktionierte.
Es konnten Jäger sein.
Es konnten die Bullen sein.
Es konnten Jakes Männer sein.
Sie würden nicht länger als eine bis höchstens zwei Minuten brauchen, bis sie bei der Hütte waren. Ich
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