Noah & Echo - Liebe kennt keine Grenzen
es mir selbst recht. Genau. Ich wollte es mir selbst recht machen.
Solange ich zurückdenken konnte, hatte ich mich immer bemüht, allen zu gefallen: meiner Mutter, meinem Vater, den Lehrern, den Therapeuten. Ich hatte panische Angst, ihren Respekt – oder im Fall meiner Eltern: ihre Liebe – zu verlieren, sobald ich einmal nicht gehorchte. Aber damit war Schluss. Ich wollte Antworten in Bezug auf meine Vergangenheit, und die würde ich nur finden, wenn ich eine Portion Mut an den Tag legte.
Gestern hatte mich Grace herausgefordert, und heute würde ich Farbe bekennen.
Zum ersten Mal seit zwei Jahren war ich im kurzärmligen T-Shirt zur Schule gegangen, allerdings mit meinem Sweatshirt darüber. Aber ich hatte keine Lust auf ein Sweatshirt. Ich schwitzte darunter, und es juckte. Entschlossen zog ich es mir über den Kopf und atmete durch, als die erfrischende Luft meine Arme berührte. So fühlte sich Freiheit an.
Ich ließ meine Bücher samt dem Sweatshirt in meinem Schließfach zurück und ging den leeren Flur hinunter zur Cafeteria. Komisch, ich kam mir nackt vor, so als hätte ich bloß meine Unterwäsche an und nicht mein blaues Lieblings-T-Shirt und eine ausgewaschene Jeans.
Um nicht wieder umzudrehen, steckte ich die Daumen in die Hosentaschen und zählte die Bodenfliesen mit, die ich zurücklegte. An der Schwelle zur Cafeteria hörten die Fliesen auf. Gelächter und Geschrei drang hinter der Tür hervor. Ich betete um zwei Dinge: erstens, dass ich nicht ohnmächtig wurde, und zweitens, dass Lila danach immer noch meine Freundin sein würde.
Meine Kehle und mein Brustkorb waren wie zugeschnürt, als ich den Fuß hob und über die Schwelle in die Cafeteria trat. Das mehrstimmige »Oh mein Gott«, das prompt links vom Eingang ertönte, bremste meinen Elan ziemlich aus, während eine Stimme in meinem Kopf sagte:
Das war ja wohl die dümmste Idee aller Zeiten
.
Mein Blick schweifte durch den Saal. Überall reckten sich Hälse und wurde getuschelt. Die Nachricht, dass der Freak der Schule den Raum betreten hatte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer von Tisch zu Tisch.
Na los, gafft ruhig. Nächstes Mal bin ich hoffentlich so schlau, Eintrittskarten zu verkaufen.
Quer durch den Raum traf mich ein warmer Blick aus einem Paar brauner Augen. Alles in mir tat weh – Noah. Eine ganze Woche lang hatten wir so getan, als gäbe es den anderen nicht. Noah stolzierte gewohnt cool und sexy wie immer durch die Schule, als wäre ich nie in sein Leben getreten. Er saß lachend und Witze reißend an seinem Lunchtisch und stoisch im Unterricht.
Aber jetzt war er alles andere als stoisch. Er stand langsam von seinem Stuhl zwischen Beth und Isaiah auf und hielt dabei die ganze Zeit meinen Blick. Ich biss mir auf die Lippe und flehte innerlich, dass ich nicht zu heulen anfing und er nicht zu mir herkam. Beides an einem Tag schaffte ich nicht: in aller Öffentlichkeit meine Narben zu zeigen und dann auch noch, ihm gegenüberzutreten.
Als er einen Schritt in meine Richtung machte, schüttelte ich flehend den Kopf. Noah blieb wie angewurzelt stehen, fuhr sich übers Gesicht, und ein Kraftausdruck, den ich mehr als einmal von ihm gehört hatte, formte sich auf seinen Lippen. Konnte es sein, dass ihn unsere Trennung genau wie mich auch fast umbrachte?
Er schloss kurz die Augen, dann rammte er die Hand in die Tür und verließ die Cafeteria. Isaiah stürzte im nächsten Moment hinter ihm her.
An meinem alten Tisch brach Gelächter aus. Ich spähte hinüber und sah, dass sie mich anstarrten. Grace eingeschlossen, obwohl sie als Einzige nicht lachte. Sie nickte kaum merklich und schaute dann weg.
»Scheiß auf sie.«
Ich zuckte zusammen. Beth stand auf einmal so dicht bei mir, dass sie mich mit dem Arm berührte. »Wie bitte?«
Sie machte eine abschätzige Geste in den Raum. »Scheiß auf sie. Die sind es nicht wert.«
»Ausnahmsweise bin ich mal deiner Meinung.« Lila verschränkte die Finger mit mir. »Du hättest mir sagen können, was du vorhast. Dann wären wir zusammen reingegangen.«
Ich wandte noch einmal den Kopf zu Beth um, doch sie war schon weg. Ich sah gerade noch ihren schwarzen Haarschopf, als sie durch dieselbe Tür verschwand, die Noah genommen hatte.
»Hast du Hunger?«, fragte Lila.
Mir war eher nach Kotzen zumute. »Ehrlich gesagt, nein.«
Lila schenkte mir ihr strahlendes Gute-Fee-Lächeln. »Prima. Dann brauchen wir kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir bloß Nachtisch essen.« Sie zog mich
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