Noah: Thriller (German Edition)
dicht bei ihm gestanden, war er bereits abgedrängt, vermutlich gemeinsam mit Altmann, der rückwärts, wie von einem schwarzen Loch angezogen, in Richtung des Platzes gesaugt wurde.
Noah griff nach Celines Hand, die es geschafft hatte, hinter ihm zu bleiben, aber sie weigerte sich, die Arme zu lösen, die sie sich zum Schutz des Babys vor Schlägen und Stößen fest um den Bauch geschlungen hatte.
»Das funktioniert so nicht«, schrie Noah gegen die immer lauter werdende Masse an.
So wirst du dein Gleichgewicht nicht halten können.
Hilflos musste Noah mit ansehen, wie der Reporterin ein Ellenbogen ins Gesicht geschlagen wurde, sie sich um neunzig Grad um die eigene Achse drehte und dann nach hinten kippte, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war.
Noah versuchte sich dorthin zurückzukämpfen, wo sie gerade eben noch gestanden hatte, teilte nun ebenfalls Schläge aus, doch es gelang ihm noch nicht einmal, auf der Stelle zu bleiben.
Auch er trieb ab, gefangen im Strom derer, die nunmehr gegen ihren Willen zum Platz gezogen wurden.
»Celine«, brüllte er, aber seine Stimme war nicht einmal ein Flüstern im Vergleich zu dem Lärm der Masse. Frauen, Männer, sogar Kinder hörte er um ihr Leben schreien, gleichzeitig füllte sich seine Nase mit dem Geruch brennenden Holzes.
Noah wollte seine Waffe ziehen, verwarf dann aber den Gedanken. Ein Warnschuss würde die Situation nur noch verschlimmern, das Chaos und damit die Lebensgefahr, in der sie alle schwebten, verschärfen. Also behielt er wie ein Boxer die Hände in Kopfhöhe und reagierte instinktiv auf alles, was sich ihm in den Weg stellte, an ihm riss, gegen ihn drückte oder trat. In den folgenden Sekunden sah er keine Gesichter, nahm keine Menschen, sondern nur schemenhafte Gestalten wahr, die sich an ihn klammerten, ihn zogen, stießen oder kratzten.
Noah schlug um sich, trat aus, hörte Knochen brechen, Menschen schreien und hatte keine Zeit, einen Gedanken daran zu verschwenden, wen seine Hände und Füße trafen – und dennoch, trotz aller Anstrengungen, gelang es ihm nicht, auf den Beinen zu bleiben.
Irgendetwas brachte ihn zu Fall, riss ihm beide Beine gleichzeitig vom Boden. Eine Zeit lang schwebte er, von der Menge getragen. Ein stechender Schmerz schoss seine Wirbelsäule hoch, gleichzeitig wurde sein Brustkorb so heftig zusammengequetscht, dass er keine Luft mehr bekam.
Dann wurde es noch dunkler. Nicht wegen des beißenden Rauchs, der mittlerweile überall in der Luft hing, sondern weil Noah nach unten gedrückt worden war. Er sah Füße, Hosenbeine, einen einzelnen Kinderschuh neben der Hand, mit der er sich auf dem Pflaster abzustützen versuchte, dann trat ihm jemand auf den Kopf und in die Nieren. Er schmeckte Blut, das Tosen in seinem Kopf schwoll an. Er wappnete sich gegen entsetzliche Schmerzen, als sein Kopf unnatürlich verdreht wurde und es in seiner Halswirbelsäule knackte. Noah wollte schreien, doch das ging nicht, weil er immer noch keine Luft bekam, und als er schon dachte, ihm sei das Genick gebrochen worden, fand er sich mit einem Mal auf Händen und Knien gestützt auf dem Pflaster wieder, qualvoll bemüht, etwas Luft in seine Lungen zu pumpen.
»Stronzo«, hörte er eine junge Frau fluchen, die über ihn hinwegstieg, als er gerade versuchte, sich aufzurichten. Sie trug schwere Absatzstiefel, mit denen sie ihm auf die Finger trat.
Um ihn herum lichtete sich die Masse, und Noah gelang es, sich an einem Poller nach oben zu ziehen, der hier aufgestellt war, um Autos an der Durchfahrt auf den Platz zu hindern. Jetzt war er Noahs Rettungsboje.
Auf ihn gestützt, sah er den Weg zurück, den er gekommen war und wo Celine vermutlich gerade um ihr Leben kämpfte.
Während das Nadelöhr, das nun hinter ihm lag, komplett verstopft schien, taten sich auf dem Platz selbst erstaunlich große Lücken auf. Diejenigen, die nicht in eine der abzweigenden Gassen geflüchtet waren (und damit vermutlich in ihr Verhängnis), hatten auf den Autos, in einem stillgelegten Brunnen oder in den Hinterhöfen der Häuser Platz gefunden, deren Eingänge von den offensichtlich mitdenkenden Anwohnern geöffnet worden waren.
Und dann gab es noch eine Gruppe von Menschen, die gar keine Absicht hatten, sich in Sicherheit zu bringen. Die Brandstifter und Plünderer, die das Chaos erst ausgelöst hatten.
Noah hörte eine Explosion, Glas splitterte, dann hellte ein Lichtblitz die Nacht auf. Dichter schwarzer Qualm trat aus dem Dachstuhl des
Weitere Kostenlose Bücher