Noah: Thriller (German Edition)
oberflächlichen Beziehung etwas Dauerhaftes hätte entstehen können. Immerhin war er groß, muskulös, charmant und einfühlsamer als die meisten anderen, die sie in einer Bar hatten abschleppen wollen. Aber so etwas wie Chemie oder Magie hatte es nie zwischen ihnen gegeben, vielleicht weil Steven keine Geheimnisse in sich trug, die es zu erforschen galt. Sein Lebenslauf war vorprogrammiert: erst als Juniorpartner bei einer Wallstreet-Kanzlei, später als Staatsanwalt, zu dem er wegen seines markanten Yale-Gesichts Jahr für Jahr in Folge wiedergewählt werden würde. Das stand so fest wie die Tatsache, dass er in einem Landhaus mit weißem Zaun, Doppelgarage und Golfrasen vor dem säulenbewehrten Eingang residieren würde, außerhalb der Stadt, mit den statistisch vorgesehenen 1,4 Kindern, die er irgendwann einmal ganz sicher haben wollte, nur eben nicht jetzt. Daran änderte auch nichts die Tatsache, dass ihn mittlerweile sein schlechtes Gewissen zu quälen schien. Seit knapp drei Wochen wurden ihr von einem anonymen Absender in unregelmäßigen Abständen wunderschöne Blumen ins Büro geliefert, die nur von ihm stammen konnten. Aber weder Rosen noch Orchideen würden sie dazu bewegen, sich wieder mit ihm in Verbindung zu setzen, um noch einmal über den richtigen »Zeitpunkt« zu diskutieren, so als wäre die Geburt eines Babys ein Outlook-Termin. Sie wunderte sich nur, dass die Blumenlieferungen nicht mit dem Tag aufgehört hatten, an dem die Frist zur legalen Abtreibungsmöglichkeit verstrichen war.
Celine wusste, ein Kind würde sie glücklich machen, egal wann. Und tatsächlich hatte sie ihr Leben bereits jetzt aus einer völlig neuen Perspektive kennengelernt. Und damit meinte sie nicht nur ihr Badezimmer, in dem sie in den ersten Wochen vor der Toilettenschüssel gekniet hatte.
»Dir müsste man Blut abzapfen und es verkaufen«, hatte ihr Mitbewohner Adrian gemeint, als sie ihn wieder einmal eine halbe Stunde vor dem Gemeinschafts-WC hatte warten lassen, um dann mit einem Lächeln im Gesicht die Tür zu öffnen, hinter der sie sich gerade lautstark übergeben hatte.
»Du kotzt dir die Seele aus dem Leib und bist trotzdem bei guter Laune. Ich kenne Jungs auf der Uni, die würden ihrem Dealer ein Vermögen für den Stoff zahlen, der das bewirkt.«
Tja, welche Glückshormone auch immer bislang in meinem Blut gewesen sind. Jetzt gerade sind sie verschwunden. Celine räusperte sich. »Gibt es ein Problem?«
Jetzt war sie raus. Die Frage, auf die sie keine Antwort hören wollte.
Dr. Malcom sah auf. Die Sorgenfalten wollten nicht von seiner Stirn verschwinden. Er nahm seine Brille ab. »Ich habe mir gerade die Nackenfalte angesehen.«
Nackenfalte?
Verdammt, sie konnte sich dunkel erinnern, etwas darüber in einem der unzähligen Ratgeber gelesen zu haben, die ihre wohlmeinende Familie bei ihr abgeladen hatte. Mit den Ausgaben von »Dein Baby und du«, »Hoppla, ich komme« oder »Was sich jetzt ändert« konnte sie die Regale ganzer Ikea-Einrichtungshäuser füllen. Doch mit den Babybüchern war es wie mit den Facebook-Freunden. Je mehr man davon hatte, desto weniger Beachtung schenkte man dem Einzelnen.
Manchmal fragte sie sich, ob es eine schlechte Mutter aus ihr machte, weil sie nicht jeden Tag nachlas, was genau in ihrem Körper vorging. Aber die Zentimeter- und Gewichtsangaben machten ihr eher Angst, denn was, außer regelmäßig zur Vorsorge zu gehen, sollte sie in drei Teufels Namen denn tun, wenn ihr Pünktchen zu klein geraten war oder nicht an der richtigen Stelle lag? Nicht einmal die Tipps gegen Morgenübelkeit hatten funktioniert, was sollte es ihr da bringen, wenn sie wusste, welche Menge an Fruchtwasser innerhalb der Norm lag?
Schön, an der Kühlschranktür hing ein Zettel mit allem, was sie jetzt besser meiden sollte. Aber welche vernünftig denkende Schwangere steckte sich schon eine Zigarette an, mixte einen Gin Tonic zum Frühstück und bekämpfte Schmerzen mit einer Familienpackung Tylenol?
Celine versuchte sich ausgewogen zu ernähren, verzichtete auf Kaffee, rohe Wurst und Sushi, was ihr nicht schwerfiel angesichts der Tatsache, dass sie ohnehin kaum etwas im Magen behalten konnte und sie nur selten Appetit hatte. Und ein Blick auf die belebten Straßen New Yorks war ja wohl der beste Beweis dafür, dass die Menschheit es auch ohne schriftliche Anleitungen geschafft hatte, seit Millionen von Jahren erfolgreich an der Überbevölkerung des Planeten zu arbeiten. Celine
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