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Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders

Titel: Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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würde mich die ganze Schule beobachten. Ich kann mir lebhaft ausmalen, was sie sich jetzt denken und wie sie alle später miteinander tuscheln werden.
    In der Besenkammer des Hausmeisters befinden sich die üblichen Besen, Wischmops und Eimer. In der Mitte jedoch steht ein topmoderner Computer. Die Reinigungsmannschaft an unserer Schule ist eine der reichsten im ganzen Land, weil alle Mitglieder unglaubliches Geschick im Aktienhandel haben. Sie hätten sich alle schon lange zur Ruhe setzen können, aber unsere Schule zu reinigen ist ihnen ein Herzensanliegen.
    » Worum geht’s denn?«, frage ich Kyle. Über den Bildschirm läuft unterdessen der Newsticker der Börse.
    Auf Kyles Gesicht ist die Verwirrung, die dort vor ein paar Tagen zu lesen war, einer entschiedenen Klarheit gewichen. Er sieht nicht traurig aus. Auch nicht glücklich. Er wirkt wie blank gefegt von allen Gefühlen.
    » Meine Tante ist am Wochenende gestorben«, sagt er, » und ich habe einen Entschluss gefasst. Ich will mit dir zusammen sein.«
    Bevor ich etwas darauf sagen kann, redet er schon weiter.
    » Sie war noch gar nicht alt, nur ein paar Jahre älter als meine Mutter. Sie hat immer ziemlich weit weg gewohnt, deshalb hab ich sie erst richtig kennengelernt, als sie für ihre medizinische Behandlung hierhergezogen ist. Ihr Mann, Tom, war bis zuletzt bei ihr. Sie haben zwei Tage, nachdem sie ihre Diagnose bekommen hat, geheiratet. Er hat geschworen, nicht von ihrer Seite zu weichen, und das hat er auch nicht mehr getan. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Egal was passierte, ob sie am ganzen Körper zitterte und fast erstickte oder halb bewusstlos war, er saß die ganze Zeit über an ihrem Bett, schaute ihr in die Augen und sagte: ›Ich bin da. ‹ Und wie er das sagte– ›Ich bin da ‹ –, war es ein ›Ich liebe dich ‹ und ›Halte durch ‹ und ›Ich tu alles für dich, einfach alles ‹ – alle diese intensiven Gefühle in einem einzigen, ruhigen Satz. Wenn er aus dem Zimmer musste, hat er immer darauf geachtet, dass ihr Teddybär Quincy neben ihr auf dem Kissen lag, damit sie nicht allein war. Als es auf das Ende zuging, wurde sie ein paarmal fast panisch, wenn Tom nach einer bestimmten Zeit noch nicht zurück war– und genau in diesem Augenblick kam er dann wieder, als hätte er das gespürt, als wäre da ganz tief eine Verbindung zwischen den beiden gewesen. Ich bin am Samstagmorgen ins Krankenhaus gekommen, um sie zu besuchen, und da hab ich ihn bei ihr auf dem Bett liegen sehen, er schaute ihr in die Augen und hat ihr leise Beatles-Songs vorgesungen. Ich konnte nicht ins Zimmer gehen, ich stand im Türrahmen und die Tränen liefen mir über die Wangen, weil es so traurig und gleichzeitig so schön war.«
    Er schweigt kurz.
    » In der Nacht bin ich lange wach gelegen und hab über vieles nachgedacht. Über all die Dummheiten, die ich in meinem Leben bisher gemacht habe. Und du warst da auf der Liste ganz oben. Du hast mir etwas geschenkt, Paul. Und ich glaube, ich habe das nicht begriffen, bis ich Tom mit meiner Tante Maura gesehen habe. Und da wusste ich es plötzlich. Ich wusste, was ich wollte.«
    Er bemerkt meine erschrockene Miene und muss lachen, was es nur noch schlimmer macht. Denn für dieses Lachen mag ich ihn noch mehr. » Keine Angst«, sagt er. » Ich frage dich nicht, ob du mich heiraten willst oder ob du dich neben mich in ein Krankenhausbett legst. Mir ist selber nicht so ganz klar, worum ich dich eigentlich bitte. Alles, was ich weiß, ist: Ich will etwas, womit es mir ernst ist. Ich weiß, dass ich noch jung bin und dass ›ernst ‹ noch nicht bedeuten kann fürs ganze Leben, wie es das für Tom und Tante Maura bedeutet hat. Aber ich will das Gefühl haben, dass die Dinge, die ich in meinem Leben tue, wirklich zählen. Mit dir war es etwas Ernstes, aber dann hat mich genau das erschreckt. Deshalb bin ich davor davongerannt. Ich musste mir erst noch mal was beweisen, glaube ich.«
    » Zum Beispiel mit Mary Anne McAllister?«
    » Tut mir leid, dass ich dich in so ein Gefühlschaos gestürzt habe, Paul. Und jetzt steck ich selbst im absoluten Gefühlschaos. Ich bin völlig fertig. Tante Maura ist gestern Abend gestorben, als wir gerade im Auto auf dem Nachhauseweg waren. Morgen früh ist die Beerdigung. Das wird fürchterlich sein. Und ich… ich weiß nicht, ich wollte unbedingt vorher mit dir reden.«
    Was kann ich ihm da sagen? Ich sehe ihn vor mir, wie er im Türrahmen des Krankenhauszimmers

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