Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders
ihn zurückzugewinnen, an den ich bisher nicht gedacht habe. Ich könnte ihn (o) bitten, (p) vor ihm auf die Knie fallen, (q) mich vor ihm auf den Boden werfen oder (r) ihn einfach in Ruhe lassen, aber um das alles zu tun, müsste ich (s) meinen Stolz, (t) meinen Ruf und (u) meine Selbstachtung aufgeben, obwohl davon (v) sowieso nicht mehr viel übrig ist und (w) das alles sowieso nicht funktionieren würde. Das Ergebnis ist, dass ich mich (x) verloren und (y) ratlos fühle und (z) gerne von dir wissen möchte, ob dir noch irgendwas einfällt, das ich unternehmen könnte.«
» Zeig es ihm«, sagt Tony.
» Ihm zeigen?«
» Zeig ihm, was du fühlst.«
» Aber ich hab es ihm gesagt. An dem Abend damals. Ich habe ihm alles gesagt. Was ich für ihn fühle. Ich habe es ihm in Worten mitgeteilt. Er wollte sie nicht hören.«
» Sag es ihm nicht, Paul. Zeige es ihm. Beweise es ihm.«
» Und wie soll ich das machen?«
Tony schüttelt den Kopf. » Das kann ich dir nicht sagen. Aber ich bin mir sicher, wenn du gründlich darüber nachdenkst, wirst du es herausfinden. Wenn du geliebt werden willst, sei liebenswert. Das wär doch schon mal ein Anfang.«
Ich denke daran, was hier gerade geschehen ist. Wie mutig Tony war. Das Risiko, mich vor Noah zu blamieren, ist nichts verglichen mit Tonys Tat. Nichts.
Der Snoopy auf Tonys Wecker nimmt eine John-Travolta-Pose ein. Zeit für mich, nach Hause zu gehen.
» Willst du, dass ich noch dableibe?«, frage ich.
Tony schüttelt den Kopf. » Geht schon«, meint er.
» Aber dein Vater…?«
» Das schaff ich schon allein.«
» Aber du musst nicht alles allein schaffen.«
» Ich weiß. Aber es ist besser, wenn du nicht dabei bist. Mit meinem Vater ist es beinahe leichter als mit meiner Mutter, solange man die Dinge nur nicht allzu deutlich ausspricht.« Er weiß, was ich jetzt sagen will, und fährt fort: » Ich weiß, dass es nicht richtig ist, Paul, aber so ist es eben. Und im Augenblick muss ich damit klarkommen, wie es ist.«
Ich nicke. » Ruf mich an«, sage ich.
» Tu ich«, antwortet Tony. Er klingt so überzeugt, dass ich ihm glaube.
Drei Stunden später ruft er mich an. Meine Mutter ist am Apparat.
» Tony!«, ruft sie freudig. » Wie schön, deine Stimme zu hören! Ich habe meinen Vorrat an Macadamia-Nüssen nachgefüllt, du musst bald mal vorbeikommen. Ich kann dich auch abholen oder wieder nach Hause fahren, wenn du willst. Wie in alten Zeiten. Du bist hier bei uns immer willkommen!«
(Meine Mutter! Ich liebe sie.)
» Bei den nächsten Wahlen stimme ich für deine Mutter– sie sollte Gott sein«, sagt Tony, als er mich am Hörer hat.
» Wie ist es gelaufen?«
» Na ja…« Tony klingt etwas bedrückt. » Ich fürchte, du wirst mein Zimmer eine Zeit lang nicht von innen sehen können.«
» Tony–«
» Dafür wirst du ausgiebig unsere Küche bewundern können. Vorausgesetzt, deine Hände bleiben dort, wo sie hingehören.«
So fühlt sich ein Etappensieg an. Eine leichte Überraschung und eine riesengroße Erleichterung. Die Vergangenheit fühlt sich plötzlich nicht mehr so schlimm an und die Zukunft ist in ein rosa Licht getaucht, wenn auch vielleicht nur für einen Augenblick. Es fühlt sich so an, als könnte die Vernunft siegen. Es fühlt sich nach einer reellen Chance an.
Ich war in der fünften Klasse der erste erklärtermaßen schwule Klassensprecher. Ich habe in Big City Männer Händchen haltend die Straße entlanggehen sehen, und ich habe gelesen, dass zwei Frauen geheiratet haben, in einem Bundesstaat, der gar nicht so weit weg von hier ist. Ich habe einen Jungen gefunden, den ich wirklich lieben könnte, und ich bin nicht gleich davongerannt. Ich glaube fest daran, dass ich sein kann, wer ich wirklich sein will. All das gibt mir Kraft. Und auch das gibt mir Kraft: eine scheinbar so einfache Sache, wie mit Tony am Telefon zu reden, nachdem er so lange Hausarrest hatte, und von ihm zu hören, dass wir ab jetzt zusammen bei ihm in der Küche sitzen können, ohne seinen Eltern was vorlügen zu müssen.
Es ist ein Etappensieg, wie gesagt. Er mag vielleicht nicht lange vorhalten, aber im Augenblick bedeutet er mir alles.
Vielleicht möglicherweise
Zwischen Liebe und Belästigung liegt manchmal nur ein schmaler Grat. Ich beschließe, ihn zu gehen. Ich will bei Noah alles riskieren. Zeig ihm deine Gefühle, hat Tony gesagt. Aber viel stärker beeinflusst mich, was Tony mir gezeigt hat. Ich will nicht länger zaudern, es sollen alle wissen, wen ich
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