Nobels Testament
müssen.
Sie drückte ihre große, runde, schwarze Sonnenbrille fester auf die Nase und nahm eine Ausgabe der
Cosmopolitan
zur Hand:
So werden Sie schärfer, schlanker, reicher.
Der Badeball traf sie direkt am Kopf, und ihre Sonnenbrille verrutschte. Ihr entfuhr ein kleiner Schrei, sie setzte sich auf und sah sich um.
Der Ball lag dicht bei ihr, und direkt daneben standen zwei bleiche englische Rotzbengel, die sie ängstlich ansahen.
Das Kätzchen lächelte.
»Ist das euer Ball?«
Sie nickten stumm und großäugig.
»Hier«, sagte sie und warf den Jungen das Spielzeug zu. »Aber passt auf, dass ihr keine anderen Leute trefft, wer weiß, vielleicht werden sie böse?«
Wieder nickten die Kinder, der eine nahm den Ball und trollte sich, der andere, kleinere blieb stehen.
»Wo kommen Sie her?«, fragte er.
Obwohl sie die Brille schon wieder aufgesetzt und sich auf ihrem Liegestuhl zurückgelehnt hatte, richtete sich das Kätzchen auf.
»Ich komme aus Amerika«, sagte sie. »Das ist das beste Land auf der ganzen Welt. Viel besser als Spanien und England.«
Dann lehnte sie sich zurück und hob demonstrativ ihre Zeitschrift.
Normalerweise funktionierte das. Arrogante Amerikaner waren für die versnobten Europäer das Allerschlimmste. Wenn die Lobeshymne nicht ausreichte, packte sie Präsident Bush aus. Dann hatte sie immer Ruhe.
Aber der Bengel verzog sich nicht.
»Warum wohnen Sie dann nicht dort?«
Sie ließ die Zeitschrift sinken. Dieser Junge war wirklich unglaublich nervtötend, bleich, sommersprossig und rothaarig und obendrein dumm wie Stroh.
»Weißt du, was?«, sagte sie und erhob sich mit der Zeitschrift und dem Handtuch unter dem Arm. »Das ist eine wirklich gute Idee, vielen Dank.«
Sie lächelte den Bengel an und ging zu der Eingangstür, die am weitesten von ihrem Apartment entfernt lag. Es brauchte ja nicht der ganze Pool erfahren, wo genau sie wohnte.
»Was haben Sie mit Ihrem Bein gemacht?«, rief der Junge hinter ihr her, doch sie tat, als hörte sie ihn nicht.
Oben in der Wohnung war es kühl und hell. Sie hängte ihr Handtuch (natürlich ein weißes) auf den Ständer im Bad, faltete die Zeitschrift zusammen und legte sie mit dem Cover nach oben in den Korb aus Peddigrohr, der neben dem weißen Sofa stand. Ihr Badeanzug klebte kalt und nass am Bauch, angenehm in der Hitze. Sie trug nie einen Bikini. Die lange Narbe über ihrem Brustkorb war zu auffällig, an solche Details erinnerten sich die Leute. »Herzoperation«, hatte sie geantwortet, wenn doch einmal jemand die Narbe gesehen und danach gefragt hatte. Obwohl sie ebenso gut die Wahrheit hätte sagen können, denn keiner von ihnen hatte im Anschluss noch lange gelebt: Berufsunfall, ich bin vor langer Zeit einmal angeschossen worden, aber das ist vergessen, garantiert vergessen und begraben.
Sie ging ins Schlafzimmer, fuhr den Computer hoch, holte sich ein frisches Handtuch, faltete es zusammen und legte es auf den Bürostuhl, damit die Sitzfläche nicht nass wurde. Sie loggte sich bei
Happy Houswifes
ein und suchte den Chatnamen ihres Agenten.
Sie fand eine Nachricht vor.
Die Kacke ist am Dampfen. Lösch die Festplatte. Gib sämtliche bekannte Aufenthaltsorte auf. Objekt, das dich identifiziert hat: Bengtzon, Annika, Stockholm, Schweden. BENUTZE DIESEN KANAL NICHT MEHR.
Die Mitteilung war um 9.13 Uhr CET gespeichert worden, also in ihrer Zeitzone, vor zwanzig Minuten.
Das Kätzchen las die Nachricht noch dreimal.
Dann schaltete sie den Computer ab, zog eine Schreibtischschublade auf und fischte einen kleinen Schraubenzieher heraus. Sie montierte die Unterseite des Rechners ab und entfernte die Festplatte, grau und in Form und Größe einer Zigarettenschachtel ähnelnd.
Die RAM-Speicher konnten drinbleiben, sämtliche Informationen, die sich darauf befanden, wären dahin, sobald sie keinen Strom mehr hatten. Mit der Festplatte in der Hand verließ sie das Schlafzimmer und ging ins Bad. Rasch zog sie den Badeanzug aus und schlüpfte in eine dunkle Jeans, dazu zog sie ein blaues T-Shirt an, band das nasse Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und hängte sich die Sonnenbrille in den Ausschnitt.
Genau das hatte sie immer befürchtet, der Agent war auch ein verdammter Pfuscher.
Lösch die Festplatte,
als ob das etwas helfen würde. Man konnte alles wiederherstellen, und dann würden sie Mails und Sites und Chats und IP-Adressen von hier bis zur verdammten Hölle finden,
lösch die Festplatte, kiss my fucking ass.
Sie stopfte
Weitere Kostenlose Bücher