Nobels Testament
dunkelgrauem Plastikfußboden. Eine Treppe weiter unten stiegen sie in einen Aufzug, fuhren noch weiter hinunter und kamen schließlich in einem unterirdischen Flur wieder heraus. Eine einsame Leuchtstoffröhre verbreitete blauweißes Licht und warf harte Schatten auf ihre Gesichter. Vom Flur gingen vier glatte, hellgraue Türen mit Schließcodes ab.
»Zurzeit werden die Tiere isoliert gehalten, von einander, aber auch von äußeren Einflüssen«, sagte Birgitta Larsén. »Deshalb müssen wir uns ein bisschen umziehen. Sie haben hoffentlich nichts Wertvolles in Ihrer Tasche?«
»Nur Geld und Kreditkarten und den Autoschlüssel«, sagte Annika.
»Na, dann.«
Sie betraten eine Schleuse mit Umkleideräumen auf beiden Seiten, Damen rechts und Herren links. Es war eng und unordentlich.
»Für die Haare«, sagte die Professorin und reichte Annika eine blaue Papierhaube. »Kittel, Handschuhe und Clogs finden Sie in den Schubladen. Und waschen Sie sich die Hände, unter den Nägeln und entlang der Nagelhaut sammelt sich der meiste Schmutz.«
Annika drehte die Haare zusammen und steckte sie zu einem Knoten auf dem Kopf fest. Sie setzte die Haube auf, zog sich einen riesigen grünen Laborkittel und ein paar hellbeige Clogs an. Dann schrubbte sie sich die Hände und streifte die milchfarbenen Latexhandschuhe über.
Noch ein Codeschloss, und sie waren im Labor mit den Versuchstieren.
»Hallo, Eva, hast du Bernhard Thorell gesehen?«, fragte Birgitta und ging zu einer Frau, die sich über einen Tisch beugte. Die Frau trug ebenfalls eine blaue Mütze und einen grünen Kittel. Sie sah nicht auf, sondern arbeitete konzentriert weiter.
»Sollte ich?«, fragte sie zurück.
Annika lehnte sich vor und sah, dass die Frau einen kleinen Mäusekörper hielt. Mit einem schnellen Schnitt entfernte sie den Kopf der Maus, warf den Körper auf einen Haufen anderer Mäusekörper und untersuchte den schwarzen kleinen Kopf.
Birgitta Larsén schaute auf die Uhr.
»Wir waren hier verabredet, aber ich bin vielleicht ein bisschen zu früh dran. Das ist Annika Bengtzon, ich führe sie ein wenig herum.«
Eva bedachte Annika mit einem schnellen Blick.
»Hallo«, sagte sie dann und wandte sich wieder ihrem Mäusekopf zu.
»Was machen Sie?«, fragte Annika und starrte auf die flinken Finger der Frau.
»Ich werde ein Stück des Gehirns dieser Maus entnehmen und mir das Dopamin ansehen, also die Signalsubstanzen untersuchen. Hier, an der Markierung am Ohr, kann ich erkennen, ob die Maus genmodifiziert ist oder nicht.«
Sie hielt Annika den abgeschnittenen Tierkopf entgegen, die nickte stumm, dann grub Eva mit geübten Handgriffen das Gehirn des Tiers aus und legte es auf eine kleine Glasplatte. Das Organ hatte die gleiche Farbe wie rohe Fleischwurst und sah ansonsten aus wie eine Geleehimbeere.
»Tja, dann muss ich wohl warten«, sage Birgitta Larsén. »Sollen wir uns mal meine Goldschätze ansehen?«
Sie steuerte den Gang hinunter, und Annika fand es angebracht, ihr zu folgen.
»Kennen Sie Bernhard Thorell?«, fragte Annika.
Birgitta Larsén lachte auf.
»Eigentlich nicht«, sagte sie. »Er hat ja vor hundert Jahren promoviert, und dann ist er nach England gegangen und hat dort sein Wirtschaftsstudium absolviert. Jetzt lebt er allerdings in den USA und ist Geschäftsführer von Medi-Tec, einem Pharmakonzern, Sie wissen schon. Die haben eine Reihe ziemlich begabter Forscher da drüben, vor ein paar Jahren haben sie eine richtig aufsehenerregende Sache publiziert.«
Sie bog um eine Ecke und zuckte entschuldigend die Achseln.
»Ja«, sagte sie, »wie aufsehenerregend die Sache wirklich ist, darüber lässt sich natürlich streiten, aber es liegt vielleicht daran, dass ihr Forschungsbereich sich mit meinem überschneidet. Sie haben einen Weg gefunden, zu verhindern, dass die Teile der Zellen, die Nervenimpulse weiterleiten, degenerieren. Eine solche Dystrophie erleiden mehr oder weniger alle Individuen. Die ersten Anzeichen dafür sind schon im Alter zwischen neun und zehn Jahren zu beobachten.«
»Sie haben eine Möglichkeit gefunden, den Alterungsprozess zu stoppen?«, sagte Annika.
»Behaupten sie, ja«, sagte die Professorin.
»Die Quelle des Lebens«, sagte Annika. »Wow.«
»Na ja«, sagte Birgitta Larsén. »Es gibt mehrere Teams auf der Welt, die ähnliche Resultate erzielt haben. Es ist nicht sicher, dass die Jungs von Medi-Tec das Problem als Erste oder am besten gelöst haben. Aber sie haben bewiesen, dass sie guten
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