Nobels Testament
bei den Versuchstieren, ich war mit Birgitta Larsén dort …«
»Ach ja, die Doktorandin.«
Annika lächelte.
»Störe ich gerade?«
»Das kommt ganz darauf an, um was es geht«, sagte der Geschäftsführer von Medi-Tec, und es hörte sich an, als lächelte er ebenfalls.
»Um den Todesfall in der vergangenen Nacht«, sagte sie. »Mich interessiert, inwieweit der Vorfall sich auf Ihre Arbeit auswirkt.«
»Soweit ich weiß, ermittelt die Polizei in diesem Fall«, sagte Bernhard Thorell. »Die Sache ist natürlich sehr tragisch, aber sie wird keine nennenswerten Auswirkungen auf unseren Forschungsauftrag haben.«
Er sprach mit einem schwedischen Oberklasse-Akzent, nicht mit einem amerikanischen.
»Ein Professor ist ums Leben gekommen«, sagte Annika, »ein weiterer wird dazu von der Polizei vernommen. Das müsste sich doch im Arbeitsklima und den persönlichen Beziehungen am Institut bemerkbar machen. Ich weiß, dass es nach dem Seminar am Samstag gekracht hat, und ich weiß, dass Sie dabei waren …«
Er holte so schnell und heftig Luft, dass Annika verstummte.
»Ich habe keine Ahnung, worum es dabei ging«, sagte er kurz, »deshalb kann ich mich natürlich nicht äußern.«
»Dafür habe ich volles Verständnis«, sagte Annika. »Ich wollte mir lediglich ein Bild von den Ereignissen des Abends machen. Ich weiß, dass Lars-Henry auch noch einige andere Leute angegriffen hat, Sie eingeschlossen.«
Bernhard Thorell schwieg einen Moment.
»Das ist so weit richtig.«
»Ich kann gut verstehen, dass Sie keinen Klatsch verbreiten wollen, aber vielleicht könnten Sie mir ja erzählen, was Lars-Henry speziell zu Ihnen gesagt hat?«
Etwas raschelte und knisterte.
»Ich habe eine Verabredung zum Essen im Fakultätsklub«, sagte Bernhard Thorell. »Wir treffen uns in einer halben Stunde dort am Eingang.«
Er beendete das Gespräch, ohne eine Antwort abzuwarten.
Im Fakultätsklub?
War das dasselbe wie Svarta Räfven?
Annika parkte vor einem flachen Holzhaus im Nobels väg 2. Es war ein rotes Häuschen mit gelben Fensterläden und weißen Gardinen. Sie stieg aus, schloss den Wagen ab und linste neugierig durch ein Fenster ins Haus hinein. Es sah ganz danach aus, als würde dort drinnen eine Art Versammlung abgehalten.
Die Laubbäume und die großen Rasenflächen verliehen dem Ort eine Atmosphäre von Ruhe und Frieden. Der Lärm der Autobahn war nur wie ein entferntes Bassbrummen im Hintergrund zu erahnen. Pferdeschwänze und Hemden flatterten, Schritte und Gelächter hallten zwischen den Häusern. Es blitzte in den Fahrradspeichen, die über die Fußgängerbrücke zum Karolinska-Krankenhaus rollten.
Annika ging langsam am Wegesrand entlang, vorbei an der Medizinervereinigung, und steuerte dann auf das Restaurant zu, wo sie vorige Woche mit Ebba und Birgitta gegessen hatte. Ja, das war der Fakultätsklub Svarta Räfven. Sie schaute auf die Uhr, sie war pünktlich. Sicherheitshalber lugte sie durch die Sprossenfenster in den Gastraum hinein, nein, Bernhard Thorell war noch nicht da, und auch von Birgitta Larsén war nichts zu sehen.
Sie setzte sich auf die Treppenstufen vor dem Eingang.
Die Sonne knallte ihr auf den Kopf, sie hielt das Gesicht der Wärme entgegen und schloss die Augen.
Ach, war das herrlich, sie hatte ganz vergessen, wie wohltuend Sonnenstrahlen sein konnten.
Mit geschlossenen Augen ließ sie den Kopf nach vorn sinken und merkte, dass sie kurz davor war, einzuschlafen. Sofort riss sie sich zusammen, schüttelte sich leicht und strich sich das Haar aus dem Gesicht.
Vom Campus näherte sich Bernhard Thorell, gemütlich schlendernd, die Hände in den Hosentaschen. Sein Anzug, grau mit leichtem Schimmer, saß wie auf den Leib geschneidert. Der Wind zerzauste sein Haar, um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen, als er in die Sonne blinzelte.
Ich kann schon verstehen, dass Birgitta Larsén verknallt ist, dachte Annika, erhob sich und ging ihm entgegen.
Er nahm die Hände aus den Taschen und begrüßte sie.
»Manchmal ist Schweden wirklich herrlich«, sagte er und musterte sie.
Zu ihrer Überraschung fühlte sie sich geschmeichelt, eine warme Welle ging durch ihren Körper, und sie zog die Hand zurück.
»Sind Sie für immer zurückgekommen?«, fragte sie unbeschwert.
Bernhard Thorell lachte auf. Seine weißen Zähne leuchteten gleichmäßig und kräftig.
»Keineswegs«, sagte er. »Aber ich habe das Familienanwesen in Roslagen behalten, nachdem meine Eltern verunglückt waren, und
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