Nachforschungen hier würden beendet sein. Es standen nur noch ein paar Einkäufe und ein gutes Timing an.
Ihr Blick wanderte zurück zur weißen, stil- und klasselosen Kotzvilla nebenan, dem widerwärtigen Zuhause der tüchtigen Reporterschlampe.
Sie erwies der Gegend einen großen Gefallen, wenn sie das dem Erdboden gleichmachte.
Annika kehrte in die Redaktion zurück und fühlte sich plötzlich matt und verzweifelt. Was machte sie hier?
Sie hatte keinen Arbeitsplatz, nur den Computer in der Tasche, und niemanden, mit dem sie über ihren Job sprechen konnte.
Spiken?
Er brachte es kaum über sich, sie anzusehen.
Berit?
Sie war mit ihrem eigenen Kram beschäftigt.
Das hier ist wie im Gymnasium, als die Bildungspolitik die lehrerfreie Gruppenarbeit außerhalb des Klassenzimmers erfand, dachte sie. Wertlos und saubillig.
Sie ging hinüber zu den für die Tagesreporter reservierten Plätzen. Apfelgehäuse, Notizen und alte Kaffeebecher rundeten das Bild ab.
Jetzt würde sie also auch noch bei der Arbeit zur Putzfrau mutieren.
Sie biss die Zähne zusammen, nahm einen Papierkorb und fegte alles völlig unsortiert hinein. Dann holte sie ein feuchtes Papierhandtuch vom Damenklo und wischte die Kaffeeflecken und Apfelreste von einem der Tische. Schließlich packte sie ihren Laptop aus.
Es war an der Zeit, sich zu organisieren.
Was sollte sie schreiben?
Der Mord an Ernst Ericsson hing mit dem Nobelmord zusammen, davon war sie absolut überzeugt. Es gab da ein Muster, das sie noch nicht genau erkennen konnte, Fäden, die nicht rein zufällig zusammenliefen.
Doch was passte in die morgige Ausgabe?
Wie interessant war es eigentlich, dass irgendein Forscher im Vollrausch nach einem Seminar ein bisschen Unfrieden gestiftet hatte?
Sie seufzte laut. Nicht besonders, wenn sie ganz ehrlich war.
Hätte sie gewusst, was genau zwischen Lars-Henry Svensson und Ernst Ericsson gesagt worden war, wäre das möglicherweise tauglich für eine Story gewesen, aber solange sie lediglich wusste, dass sie sich angeschrien hatten, konnte sie nichts schreiben.
Weil ihr sonst nichts einfiel, suchte sie in der Informationsdatenbank Dafa nach Lars-Henry Svensson und fand eine Adresse im Ringvägen auf Söder in Stockholm. Telia hatte zwei Verträge auf seinen Namen laufen, einen für ein Telefon im Ringvägen und den anderen für einen Anschluss im Tavastbodavägen auf Värmdö. Keine Handynummer.
Sie rief bei beiden Nummern an. Keine Antwort, nicht einmal von einem Anrufbeantworter.
Sie holte sich einen Becher Kaffee und drehte eine Runde durch die Redaktion, um ihre Gedanken zu sortieren. Während des vergangenen halben Jahres hatte sie alle Informationen über den Nobelmord niedergeschrieben. Das Dokument hatte sie in ihrem Online-Archiv im Netz gespeichert. Sie ging zurück zu ihrem Computer und loggte sich bei
[email protected] ein.
Vielleicht war es Zeit, sich einen umfassenden Überblick zu verschaffen, von den Details Abstand zu nehmen und das ganze Bild zu betrachten. Mal den enormen Cashflow zwischen Forschung und Pharmaindustrie ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Wege vom Zuschuss über das Patent bis hin zum Arzneimittel und Konsumenten zu verfolgen.
Sie blätterte durch ihre Notizen. Die Texte waren unstrukturiert und beinhalteten einen Wust aus Fakten, Informationen und Gedanken. Da waren Qs Details über die Berufskillerin
The Kitten,
was sie getan hatte und wie die Polizei dahintergekommen war. Da waren die Fakten zum Thema Nemesis und Alfred Nobel. Sie fand auch Notizen zu ihren Nachforschungen, die sie nach der Pressekonferenz angestellt hatte, auf der Medi-Tecs großzügige Unterstützung des KIs bekannt gegeben worden war. Und auch ihr Gedankenprotokoll, nachdem sie neulich bei Q zur Fotogegenüberstellung gewesen war, entdeckte sie.
Jetzt reicht es, dachte sie. Ich habe lange genug den Mund gehalten. Sie langte nach dem Telefonhörer und wählte zum zehnten Mal an diesem Tag Qs Durchwahl. Er ging noch immer nicht dran. Sie haute den Hörer auf die Gabel. Es war doch unmöglich, dass sie hier saß und von einer einzigen Quelle abhängig war. In ihrer Frustration entschied sie sich, es wie am Abend zuvor zu machen. Sie würde ihm eine Mail schicken und hoffen, dass er sich meldete.
Ich habe vor, über
The Kitten
zu schreiben. Muss mich mit Ihnen abstimmen, damit ich nichts Entscheidendes vergeige.
Nur eine Minute später war die Antwort da.
Sorry, honey, ich bin so gut wie aus der