Nobels Testament
mal telefonieren und einen Plan machen?«
Annika grinste, sah auf die Uhr und schaltete den Rechner aus.
»Ich bin nicht mehr bei der Kriminalredaktion, sondern unterstehe dem Desk«, sagte sie. »Schyman war in dem Punkt sehr deutlich. Ich kann nicht einfach nach Lust und Laune herumfahren, sondern bin Spikens Sklave und tue, wie mir geheißen.«
»Na ja«, sagte Berit, »ich bin gespannt, wie das gehen wird.«
Annika packte ihren neuen Computer in die Tasche und zog den Reißverschluss zu.
»Du, Berit«, sagte sie. »Wusstest du, dass Alfred Nobel kurz vor seinem Tod ein Inzestdrama geschrieben hat?«
Berit, die auf dem Weg hinaus war, hielt inne.
»Ein Inzestdrama? Wie denn, ein Theaterstück?«
»Eine Tragödie in vier Akten«, sagte Annika.
»Davon hatte ich keine Ahnung«, sagte Berit. »Wie merkwürdig, dass man darüber nie etwas gehört hat. Ob das wirklich stimmt?«
»Es heißt
Nemesis
«
,
sagte Annika, »es handelt von einer jungen Frau, die ihren Vater umbringt. Sie hat wirklich gelebt, Beatrice Cenci hieß sie …«
»Es wird wohl kaum gut für sie ausgegangen sein«, sagte Berit. »Könnte es sein, dass Nemesis sie umgehend ziemlich bestraft hat?«
Annika legte sich den Träger der Computertasche über die Schulter und hob sie mit der Hand hoch.
»Bingo«, sagte sie.
»Man sollte vorsichtig sein, wenn man Gott spielt«, sagte Berit und winkte.
Und ohne dass Annika irgendeine Verbindung ausmachen konnte, tauchte das Bild von Sophia Grenborg in ihrem Kopf auf.
Mit einem leichten Druck der Handfläche gegen die drei Kronen auf dem Messinggriff verließ Thomas das Regierungsgebäude. Die Tür öffnete sich geräuschlos, er spannte seinen Regenschirm auf.
Der Regen hatte nicht nachgelassen. Er peitschte noch immer mit solcher Kraft aufs Pflaster, dass die Tropfen hochsprangen und ein paar Zentimeter über dem Boden einen Dunstteppich bildeten. Einen Moment blieb er stehen und betrachtete das Schauspiel seltsam zufrieden.
Es war ein guter Tag gewesen, ein rundum hervorragender Tag. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl gehabt, Grund unter den Füßen, eine Art Halt in diesem Haus zu haben. Sein offizieller Auftrag würde bald erledigt sein, er hatte keinen Vertrag, der besagte, dass er nach der Konferenz am Montag noch gebraucht würde, aber heute Nachmittag hatte man ihm zu verstehen gegeben, dass er bleiben solle. Er hatte versucht, Annika anzurufen, aber ihr Handy war ausgeschaltet gewesen.
Sie wird es ja sehen, dachte er. Nie hat sie daran geglaubt, dass ich das hinkriegen würde, aber jetzt wird sie ja sehen.
Annika war über seinen Auftrag keineswegs erfreut gewesen. Manchmal dachte er, sie sei eifersüchtig und könne nicht ertragen, dass er sie in der Karriere überholt hatte. Sie wollte wichtig sein, und als sie unfreiwillig in Urlaub geschickt wurde, während er diesen Superjob antrat, hatte ihre Beziehung Schlagseite bekommen.
Sie hatte sich nur wenig für seine Arbeit interessiert, und wenn, dann stellte sie haufenweise provokante Fragen. Das machte ihn müde und traurig. Zugegeben, zahlreiche Kritiker stellten die neue Gesetzesinitiative der Regierung infrage, er hatte diese Artikel alle gelesen und festgestellt, dass die Verwirrung komplett war. In einem einzigen Chaos argumentierten sie gegen alte Gesetze, gegen Erwiderungen, gegen Ermittlungen und Gesetzesanträge, ohne tatsächlich zu wissen, was davon was war.
Er atmete durch und begab sich hinaus in die Nässe. Schnell eilte er die Fredsgatan hinauf, am Arvfurstens-Palast vorüber und in die Malmtorgsgatan hinein.
Am Morgen hatte er ins Parkhaus am Brunkebergstorg fahren müssen. Oft gelang es ihm, einen billigeren Parkplatz irgendwo auf der Straße zu finden, aber an diesem Morgen war alles völlig überfüllt gewesen.
Er war bis zu den Knien durchnässt, als er endlich das Parkhaus erreichte.
Das Auto stand auf einer der untersten Ebenen, die Luft war so dick von Abgasen, dass er versuchte, nicht zu atmen.
Das Treffen mit der Rechtsvorsitzenden war wie am Schnürchen verlaufen. Sie war aufmerksam und ermutigend gewesen und hatte fast nichts bemängelt. Sie hatte lediglich darauf hingewiesen, dass der Minister vermutlich sehr deutliche Vorschriften sehen wollen würde, wenn die Prüfung durch das Parlament bevorstand.
Seine Aufgabe als Ermittler war gewesen, ein neues Abhörgesetz vorzubereiten. Dabei war das Hauptaugenmerk darauf gerichtet, was mit den Zusatzinformationen zu geschehen hatte, die sich beim
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