Nobels Testament
beschäftigen?«
»Ich habe meine Arbeit zufriedenstellend erledigt«, sagte er. »Sie wollen, dass ich beim Ministerium bleibe. Findest du, ich sollte mich lieber beim Arbeitsamt melden?«
»Du weichst einfach jeder Kritik aus«, sagte Annika.
Thomas fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, und er merkte, dass es in alle Richtungen abstand.
»Tatsache ist, dass alle anderen nordeuropäischen Staaten diese Gesetzgebung bereits haben. Wir hinken fünfzehn Jahre hinterher, da unsere alten Sozi-Minister das bisschen Aufregung, das entsteht, sobald man sich diesen Fragen zuwendet, nicht ausgehalten haben.«
»Und die EU?«, fragte Annika. »Ich habe letzte Woche in
Rapport
gehört, dass es die Schweden sind, die darauf drängen, dass die Netzbetreiber alle Informationen speichern, die verschickt werden.«
»Das ist ein anderes Problem«, sagte Thomas. »Alle Informationen werden bereits gespeichert, und wir wollen, dass sie weiterhin gespeichert werden, wie zuvor. Wir möchten nur, dass Verwendung und Kosten reguliert werden. Es ist ja der reine Teppichhandel, wenn die Polizei versucht, Verkehrsdaten von den Netzbetreibern zu bekommen. Findest du das besser?«
»Was meinst du mit Teppichhandel?«
»Die Polizei sagt: Wir können diese Vergewaltigung aufklären, wenn wir wissen, wer dieses Handy zu jener Zeit angerufen hat. Der Netzbetreiber antwortet: O.k., für 25000 Eier. Die Polizei sagt: Ihr kriegt nur 15000. Sagt der Betreiber: Nix, mindestens 20000.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Annika.
»Was das Verhandeln angeht, hat die schwedische Polizei in den vergangenen Jahren einiges dazugelernt«, sagte Thomas. »Die Kosten für Informationen aus der Telekommunikationsbranche sind von 70 auf 14 Millionen gesunken.«
Annika biss sich auf die Unterlippe und schaukelte mit einem Fuß, er wusste, dass sie angestrengt nachdachte.
»Terroristen begehen wohl hauptsächlich Verbrechen wie Mord, Kidnapping, Sabotage und gefährliche Zerstörung, oder?«, sagte sie dann. »Wenn ich nicht völlig falsch unterrichtet bin, gibt es für solche Verbrechen doch bereits Gesetze.«
Thomas trank von seinem Wasser und antwortete nicht.
»Ich weiß nicht, wie du es mit dir selbst aushältst«, fuhr sie bitter fort. »Wie kannst du dein Tun auch noch verteidigen? Was ist das für ein Scheiß, dass wir spezielle Gesetze für Terroristen brauchen?«
»Es geht hier um Mutwilligkeit«, sagte Thomas und stellte sein Wasserglas auf dem Küchentisch ab. »Es kommt vor allem auf das Ziel des Verbrechens an, ob es systemgefährdend ist. Dann muss es auf besondere Weise beurteilt werden. Wenn es nicht einfach darum geht, ein Haus zu sprengen, sondern die Leute zu Tode zu erschrecken, sprechen wir von Terrorismus. Oder von anderweitig organisiertem Verbrechen: Motorradgangs oder internationalem Drogenhandel, Menschenschmuggel oder Waffenhandel.«
»Motorradgangs sind doch keine Terroristen?«
»Ihre Vergehen können sehr wohl dazu dienen, die Gesellschaft zu stürzen oder den Menschen Furcht einzujagen. Es geht darum, Beweise zu sammeln! Um Kleinkriminellen oder Jugendstraftätern auf die Spur zu kommen, muss man niemanden abhören, die gehen sowieso in den Bau.«
Er hob die Arme und hörte selbst, wie bittend er klang.
»Wir sprechen hier von der Drogenmafia und Motorradgangs, gegen die niemand aussagen möchte. Deshalb benötigen wir die Technik, deshalb müssen wir Lokale überwachen und Telefone abhören. Es geht doch um die Wahrung der Gesetze!«
Sie sah ihn an, die Arme eng um den Körper geschlungen, so klein und dunkel und kantig. Eine große und verschlingende Müdigkeit überfiel ihn, er wollte sie einfach in den Arm nehmen, ihr über das Haar streichen und die Welt vergessen.
»Berit hat mir heute den Vorschlag für den neuen Gesetzestext gezeigt«, sagte sie.
»Ach ja«, sagte Thomas und sank auf einen Stuhl. »Welchen denn?«
»Den, der beinhaltet, dass der Staatsschutz das Recht erhalten soll, nach Belieben Leute abzuhören«, sagte Annika. »Das ist doch völliger Irrsinn!«
Er unterdrückte den Impuls, einfach zusammenzusinken und den Kopf auf die Tischplatte zu legen.
»Das ist kein neuer Gesetzestext«, sagte er. »Das ist ein Kommentar zu einem Gesetzesentwurf, und es ist zu bezweifeln, dass er durchkommt, aber worum es geht, ist, vorbeugend zu arbeiten …«
»Genau«, sagte Annika, und ihre Augen blitzten. »Wenn der Staatsschutz die Leute fasst, bevor sie auf die Idee kommen, Verbrecher zu werden, dann
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