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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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und jetzt werde ich mich betrinken.« Damit ging er hinaus.
    Sir William begab sich in sein Büro, trat ans Fenster und suchte den Horizont ab. Die Sonne ging gerade unter. Und nirgends eine Spur von der Flotte. Mein Gott, ich hoffe, sie sind in Sicherheit. Ich muß Johann irgendwie zurückhalten. Tyrer braucht noch mindestens ein Jahr, bis er so weit ist. Wen könnte ich nehmen, dem ich vertrauen kann? Verdammt!
    Da der Schein der untergehenden Sonne den kärglich eingerichteten Raum nicht ausreichend beleuchtete, entzündete er eine Öllampe und stellte sorgfältig den Docht ein. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Depeschen, sein Exemplar von All the Year Round – längst von vorn bis hinten gelesen –, sämtliche Zeitungen vom letzten Postdampfer, mehrere Exemplare von Illustrated London News und Punch. Er griff nach dem Vorausexemplar von Turgenjews Väter und Söhne auf Russisch, das ihm ein Freund am Hof von St. Petersburg geschickt hatte, begann zu lesen, vermochte sich nicht zu konzentrieren, legte das Buch beiseite und begann das zweite Schreiben dieses Tages an den Gouverneur von Hongkong, in dem er Einzelheiten der Verhandlungen von heute mitteilte und um Ersatz für Johann bat. Dann kam lautlos Lim herein und schloß die Tür hinter sich.
    »Ja, Lim?«
    Lim trat an den Schreibtisch, zögerte; dann senkte er die Stimme. »Mass’er«, sagte er vorsichtig, »höre Ärger, bald Ärger Edo Big House, viel Ärger.«
    Sir William blickte zu ihm auf. Big House, so nannten die chinesischen Diener die Gesandtschaft in Edo. »Was für Ärger?«
    Lim zuckte die Achseln. »Ärger.«
    »Wann Ärger?«
    Wieder zuckte Lim die Achseln. »Whisk’y Wasser, heya?«
    Sir William nickte nachdenklich. Von Zeit zu Zeit pflegte ihm Lim Gerüchte zuzutragen, und es war unheimlich, wie oft er recht hatte. Er beobachtete, wie der Chinese zum Sideboard hinüberging und ihm den Drink genauso mixte, wie er es liebte.
    Phillip Tyrer und der Captain im Kilt beobachteten denselben Sonnenuntergang von einem der oberen Fenster der Gesandtschaft in Edo aus. Dunkelrote, orangefarbene und braune Töne am leeren Horizont, untermischt mit einem Streifen Blau über dem Meer. »Werden wir morgen gutes Wetter haben?«
    »Ich kenne mich mit dem Wetter hier nicht so gut aus, Mr. Tyrer. Wenn wir in Schottland wären, könnte ich es Ihnen sagen.« Der Captain, ein kleiner, dreißig Jahre alter Mann mit sandfarbenem Haar, lachte. »Regen mit vereinzelten Schauern… aber, och ay, das ist gar nicht so schlecht.«
    »Ich bin noch nie in Schottland gewesen, aber beim nächsten Urlaub werde ich hinfahren.« Bei der Erinnerung an Sir Williams Zorn machte sich sein Magen bemerkbar. »Und wann kehren Sie in die Heimat zurück?«
    »Vielleicht nächstes Jahr, vielleicht übernächstes. Dies ist erst mein zweites Jahr.« Sie richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Platz unten. Vier Highlander und ein Sergeant kamen durch die Reihen der postierten Samurai den Hang heraufmarschiert und passierten dann das Eisentor. Sie kehrten von einer Routine-Patrouille zur Pier zurück, wo ein Detachement Marinesoldaten sowie ein Kutter postiert waren. Die Samurai waren wie immer da, unterhielten sich oder gruppierten sich um nahe Feuer, die entzündet wurden, wenn es kalt wurde, waren ständig in Bewegung. Niemand, weder Soldat noch Gesandtschaftsangehöriger, war am Betreten oder Verlassen des Grundstücks gehindert worden, doch alle mußten sich diesen durchdringenden, aber stets wortlosen Blicken aussetzen.
    »‘tschuldigen Sie, ich werde mich beim Sergeant für alle Fälle vergewissern, daß unser Kutter da ist, die Wachtposten kontrollieren und alles für die Nacht abschließen. Dinner um sieben, wie gewöhnlich?«
    »Ja.« Als er allein war, unterdrückte Tyrer ein Gähnen, reckte sich und bewegte den Arm, um die leichten Schmerzen zu lindern. Seine Wunde heilte zufriedenstellend, für eine Schlinge gab es keinen Grund mehr. Ich hab verdammtes Glück gehabt, dachte er, bis auf Wee Willie. Verflucht sei der Kerl, daß er mich hierhergeschickt hat, ich soll hier zum Dolmetscher ausgebildet werden und nicht zum Handlanger. Verdammt, verdammt, verdammt. Und jetzt werde ich Andrés Konzert verpassen, auf das ich mich so sehr gefreut habe. Angélique wird sicher auch da sein.
    Die Gerüchte über ihre heimliche Verlobung hatten sich in Windeseile in der Niederlassung verbreitet. Auf gelegentliche Andeutungen Struan oder ihr gegenüber hatte es weder Verneinungen

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