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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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her, seit ich mit Françoise gebrochen und die beiden in ihrer Familienpension bei der Sorbonne zurückgelassen habe, in der ich wohnte? Siebzehn Jahre. Wie lange ist es her, seit ich sie zuletzt gesehen habe? Zehn. Merde, ich hätte nie heiraten sollen. Obwohl Françoise schwanger war. Ich war der Tor, nicht sie; sie hat wenigstens wieder geheiratet und leitet nunmehr die Pension. Aber Marie?
    Das Rauschen der Wellen lenkte seinen Blick aufs Meer. Oben kreischte eine einzelne Möwe. Nicht weit von der Küste entfernt sah man die Lichter des vor Anker liegenden französischen Flaggschiffs, und das brach endlich den Bann. Er riß sich zusammen und konzentrierte seine Gedanken.
    Eine Ironie, daß dieses zierliche Mädchen zu einer wichtigen Figur im Spiel Frankreich gegen England wird. Eine Ironie, aber so ist das Leben. Warte ich bis morgen oder übermorgen, oder teile ich die Karten aus, wie Henri und ich es besprochen haben?
    »Ach«, sagte sie mit flatterndem Fächer, »ich bin heute so glücklich, André. Ihre Musik hat mir so viel gegeben, sie hat mich in die Opéra entführt und mich emporgetragen, bis ich den Duft von Paris gespürt habe…«
    Wider Willen war er bezaubert. Bewirkt sie das, oder kommt es daher, weil sie mich an Marie erinnert? Ich weiß es nicht, aber es macht nichts, Angélique, heute abend werde ich dich in deiner glücklichen Seifenblase in Ruhe lassen. Morgen ist noch früh genug.
    Dann stieg ihm ein Hauch von ihrem Parfüm, Vie de Camille, in die Nase und erinnerte ihn an das Fläschchen, das er unter so großen Schwierigkeiten für seine musume Hana – die Blume – aus Paris hatte kommen lassen, und plötzlicher Zorn fegte seinen Impuls, freundlich zu sein, hinweg.
    Es war kein Mensch in Hörweite, trotzdem dämpfte er seine Stimme. »Es tut mir leid, aber ich muß es Ihnen mitteilen. Ich habe ein paar vertrauliche Nachrichten erhalten. Es fällt mir schwer, es sagen zu müssen, aber Ihr Vater war vor einigen Wochen in Macao, hat hoch gespielt und hat verloren.« Er sah, wie sie erbleichte. Er hatte Mitleid mit ihr, fuhr aber genauso fort, wie er und Seratard es geplant hatten. »Es tut mir leid.«
    »Hoch, André? Was soll das heißen?« Ihre Worte waren kaum vernehmbar, und er sah, wie sie ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
    »Er hat alles verloren, sein Geschäft, Ihr Kapital.«
    Sie stöhnte auf. »Alles? Mein Kapital? Aber das ist unmöglich, das kann er nicht!«
    »Tut mir leid, er kann, und er hat. Er hat nicht außergesetzlich gehandelt; Sie sind eine unverheiratete Frau, und abgesehen davon, daß Sie minderjährig sind, ist er Ihr Vater, der über Sie und alles bestimmen kann, was Sie besitzen. Das ist Ihnen natürlich bekannt. Es tut mir leid. Haben Sie noch anderes Geld?« erkundigte er sich, obwohl er wußte, daß das nicht der Fall war.
    »Es tut Ihnen leid?« Sie erschauerte und versuchte, klar zu denken. Die Erkenntnis, daß die zweite ihrer großen Ängste Wirklichkeit geworden war, zerriß ihren sorgfältig gesponnenen Kokon. »Woher… Woher wissen Sie das?« stammelte sie, um Luft ringend. »Mein… Mein Kapital gehört doch mir… das hat er versprochen.«
    »Er hat es sich anders überlegt. Und Hongkong ist ein Dorf – es gibt keine Geheimnisse in Hongkong, Angélique, keine Geheimnisse, hier wie dort. Heute ist eine Nachricht aus Hongkong eingetroffen, per Kurier von einem Geschäftspartner. Er hat uns die Details geschildert – er war damals in Macao und hat das Ganze miterlebt.« Er sprach betont freundlich und besorgt wie ein guter Freund, sagte aber nur die halbe Wahrheit. »Er und ich, wir… wir sind im Besitz einiger Papiere Ihres Vaters, Darlehen vom letzten Jahr und immer noch nicht zurückgezahlt.«
    Eine neue Angst begann sie zu schütteln. »Mein Vater… bezahlt er seine Rechnungen nicht?«
    »Nein, leider nicht.«
    Voll Angst dachte sie an den Brief ihrer Tante und wußte sofort, daß das Darlehen ihres Onkels ebenfalls nicht zurückgezahlt worden war und daß er deshalb im Gefängnis saß… Sie versuchte, nicht ohnmächtig zu werden, wünschte sich, daß alles ein Traum sei. O Gott, o Gott, was soll ich nur tun?
    »Wenn ich Ihnen helfen kann – bitte, sagen Sie es.«
    Unvermittelt wurde ihre Stimme schrill. »Mir helfen? Sie haben meinen Frieden zerstört – wenn es stimmt, was Sie sagen. Mir helfen? Warum haben Sie mir das jetzt gesagt, warum, warum, wo ich doch gerade so glücklich war?«
    »Weil es besser war, daß Sie es sofort

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