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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Seide, aber schlicht, seine Schwerter waren gewöhnlich, aber scharf.
    »Woran denkst du, Sire?« fragte sie, als sie es an der Zeit fand, seine düsteren Gedanken zu vertreiben. Obwohl sie allein waren, dämpfte sie ihre Stimme, denn wie sie wußte, war es nirgendwo innerhalb der Burgmauern wirklich sicher.
    »Kyōto«, antwortete er knapp und ebenso leise.
    »Wirst du Shōgun Nobusada begleiten?«
    Obwohl er inzwischen beschlossen hatte, noch vor der offiziellen Reisegruppe in Kyōto zu sein, ob sie nun Edo verließ oder nicht, schüttelte er den Kopf: Die Täuschung anderer war ihm zur Gewohnheit geworden.
    Irgendwie muß ich diesen jungen Toren aufhalten und zur einzigen Verbindung zwischen dem Kaiser und dem Shōgunat werden, hatte er sich überlegt, und die Schwierigkeiten, mit denen er sich herumplagen mußte, brachen über ihn herein: der Wahnsinn dieses Staatsbesuchs; Anjo, der mit seinem Einfluß die Zustimmung des Rats erzwungen hat, Anjo mit seinem Haß und seinen Intrigen; die Falle, in der ich hier in der Burg sitze; die Vielzahl der Feinde im ganzen Land, vor allem Sanjiro von Satsuma, Hiro von Tosa und Ogama von Choshu, der nun im Besitz der Tore ist. Und zu allem Überfluß, lauernd wie blutlechzende Wölfe, die Gai-Jin.
    Die müssen beseitigt werden, endgültig. Der Knabe Nobusada und die Prinzessin müssen neutralisiert werden, endgültig.
    Die endgültige Lösung für die Gai-Jin liegt auf der Hand: Wir müssen auf jedem erdenklichen Weg, soviel es uns auch kosten mag, reicher werden als sie. Und besser bewaffnet. Das muß das Ziel unserer geheimen Staatspolitik sein. Wie das zu erreichen ist, weiß ich noch nicht. Aber zunächst einmal müssen wir ihnen schmeicheln, bis sie einschlafen, sie aus dem Gleichgewicht bringen, ihre eigene törichte Einstellung gegen sie kehren – und unsere überlegenen Fähigkeiten einsetzen, um sie kaltzustellen.
    Nobusada? Ebenso klar. Aber er ist nicht die eigentliche Bedrohung. Das ist sie. Nicht über ihn muß ich mir Gedanken machen, sondern über sie, Prinzessin Yazu; sie ist die eigentliche Macht hinter ihm. Und vor ihm.
    Er mußte über das Bild lächeln, das er plötzlich vor sich sah – sie mit einem Penis und Nobusada als der Empfangende. Das würde ein wundervolles ukiyo-e geben, dachte er belustigt. Ukiyo-e waren erotische, vielfarbige Holzschnitte, so beliebt und geschätzt bei den Händlern und Geschäftsleuten von Edo, daß sie vom Shōgunat seit über einem Jahrhundert verboten waren, weil sie für die unterste Klasse zu leicht als Schmähschriften gegen Höherstehende zu mißbrauchen waren. In Nippons starrer gesellschaftlicher Hierarchie kamen zunächst die Samurai, dann die Bauern, drittens die Handwerker jeglicher Art und zuletzt, von allen verachtet, die Kaufleute: ›Blutsauger an jeglicher anderer Arbeit‹ waren sie im Vermächtnis des Shōgun Toranaga genannt worden. Verachtet, weil alle anderen dennoch ihre Fähigkeiten und ihren Reichtum brauchten. Vor allem die Samurai.
    Also konnte man Regeln, gewisse Regeln lockern. So wurden zum Beispiel in Edo, Osaka und Nagasaki, wo die wirklich reichen Kaufleute lebten, ukiyo-e, obwohl offiziell verboten, von den besten Künstlern und Druckherstellern des Landes gemalt, geschnitten und munter produziert. In jeder Epoche wetteiferten die Künstler miteinander um Ruhm.
    Exotisch, deutlich, aber stets mit gigantischen Genitalien, über alle Maßen komisch, die besten im perfekten, feuchten und beweglichen Detail. Ebensosehr geschätzt waren die ukiyo-e -Porträts bekannter Schauspieler, ständiges Futter für Klatsch – da Schauspielerinnen per Gesetz verboten waren, spielten speziell ausgebildete Männer, die omagaki, die weiblichen Rollen –, und vor allem Drucke der berühmtesten Kurtisanen. »Ich möchte, daß dich jemand malt. Schade, daß Hiroshige und Hokusai tot sind.«
    Sie lachte. »Und in welcher Pose, Sire?«
    »Nicht im Bett.« Er stimmte in ihr Lachen ein, und da es ungewöhnlich war, daß er lachte, freute sie sich über diesen Sieg. »Einfach so, wie du auf der Straße gehst, mit einem Sonnenschirm in Grün und Rosenrot, in deinem rosenrot-grünen Kimono mit den goldgewirkten Karpfen.«
    »Vielleicht, Sire, statt auf der Straße lieber in einem Garten, wie ich in der Abenddämmerung Glühwürmchen fange?«
    »O ja, noch besser!« Er lächelte, weil er sich an die seltenen Tage seiner Jugend erinnerte, da er an Sommerabenden, wenn er von seinen Studien erlöst war, mit feinen Netzen

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