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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sie einander nicht mehr zu sehen. Ohne nachzudenken, war jeder von ihnen an die dem Rand gegenüberliegende Tunnelwand zurückgewichen. Hiraga, der schlachterfahrenere, sank, die Hand am Schwertgriff, auf ein Knie und lauschte angespannt auf ein Schwert, das aus der Scheide gezogen wurde.
    »Hiraga!« kam Oris heisere Stimme aus dem Dunkel, diesmal aber weiter entfernt im Tunnel. »Ich will, daß sie stirbt; ich werde sie umbringen – für sonno-joi und für mich. Du willst bleiben. Dann löse das Problem.«
    Leise richtete sich Hiraga auf. »Löse du es«, zischte er und wechselte lautlos die Position.
    »Das kann ich nicht. Ich kann’s nicht lösen. Ich hab’s versucht.«
    Hiraga zögerte, auf einen Trick gefaßt. »Dann leg zuerst deine Schwerter ab.«
    »Und dann?«
    »Weil sie dich mehr beschäftigt als sonno-joi, wirst du in Yokohama niemals bewaffnet in meine Nähe kommen; du wirst morgen nach Kyōto aufbrechen und Katsumata alles berichten; er ist unser Satsuma-Führer. Wenn du zurückkehrst, werden wir alles tun, wie du gesagt hast.«
    »Und wenn ich nicht zurückkehre?«
    »Dann werde ich es tun – zu einem Zeitpunkt, den ich bestimme.«
    Oris Stimme wurde noch rauher. »Aber sie könnte abreisen, fliehen, neh? Wenn sie nun abreist, bevor ich zurückkomme?«
    »Ich werde dafür sorgen, daß ich über all ihre Schritte unterrichtet bin, und dir eine Nachricht schicken. Wenn du nicht rechtzeitig hier sein kannst, werde ich entscheiden. Sie – und ihr Ehemann, falls sie bis dahin verheiratet ist – wird nur nach Hongkong reisen. Du – oder wir – kannst ihr dorthin folgen.« Er vernahm Oris schweren Atem und wartete, immer auf einen plötzlichen Ausfall gefaßt, denn er wußte, daß er Ori nicht trauen konnte, solange er am Leben und in der Nähe war, aber dies schien ihm vorläufig der beste Plan zu sein. Ihn umzubringen wäre Verschwendung. Ich brauche seine Klugheit. »Einverstanden?«
    Er wartete. Und wartete. Dann: »Ja. Was noch?«
    »Das Kreuz. Du wirst es in den Brunnen werfen.« Hiraga hörte ein zorniges Einsaugen des Atems. Das Schweigen wuchs.
    »Einverstanden, Hiraga-san. Bitte verzeih mir.«
    Dann hörten seine scharfen Ohren, daß Stoff bewegt wurde, daß etwas Winziges an ihm vorüberflog, und dann das leise Geräusch von Metall, das die Brunnenwand hinter ihm traf, um gleich darauf im Abgrund zu verschwinden. Geräusche von Schwertern, die zu Boden gelegt wurden.
    Hiraga riß ein Streichholz an. Ori stand tatsächlich wehrlos vor ihm. Sofort stürzte Hiraga auf ihn zu. Ori wich in Panik zurück, aber Hiraga hob nur seine Schwerter auf. Bevor das Streichholz erlosch, hatte er noch Zeit, die Schwerter ebenfalls in den Brunnen zu werfen. »Bitte, gehorche mir, Ori. Dann hast du nichts zu befürchten. Ich gehe zuerst, du wartest, bis ich dich rufe.«
    Die Sprossen waren rostzerfressen, einige von ihnen locker. Der Aufstieg war riskant. Dann sah er über sich den Himmel mit seinen Sternen zwischen den Wolken. Nächtliche Geräusche, Wind und Meer. Weitersteigen, aber vorsichtiger. Er brauchte seine ganze Kraft, um sich auf den Steinrand emporzustemmen und sich vorsichtig umzusehen.
    Der verlassene Brunnen lag in der Nähe des Kanalzauns in einer Ödlandfläche voll Unkraut, Abfall und Strandgut. Die Küste war nicht weit entfernt.
    Eingestürzte Häuser, tiefe Schlaglöcher auf den unbefestigten Straßen. In der Nähe knurrten streunende Hunde. Der Wind trug rauhen Männergesang herüber. Jetzt vermochte sich Hiraga zu orientieren. Sie befanden sich in Drunk Town.

22
    Freitag, 19. Oktober
    Im frühen Morgenlicht lag Misamoto – Fischer, falscher Samurai und Yoshis Spion – in der Burg von Edo am ganzen Leib zitternd vor dem aufgebrachten Ältestenrat auf den Knien. In der Hand hielt er die englische Version von Sir Williams Antwort. Neben ihm kauerte ein Bakufu-Beamter.
    »Sprich, Fischer!« wiederholte Anjo, der Sprecher des Ältestenrats, und im Konferenzraum wurde es totenstill. »Gleichgültig, ob du alle englischen Worte verstehst oder nicht – wir wollen wissen, ob der Bakufu-Beamte die Nachricht richtig übersetzt hat! Steht das in der Gai-Tin-Nachricht? Wörtlich?«
    »Es ist… na ja, mehr oder weniger, ja, Sire«, stammelte Misamoto, der so verängstigt war, daß er kaum sprechen konnte. »Es ist, wie der Herr Beamte … mehr oder weniger, Sire… mehr… oder…«
    »Hast du vielleicht Seetang als Zunge und Fischabfälle als Gehirn? Los, los! Herr Toranaga sagt, daß du

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