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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Alle, die nicht bettlägerig oder betrunken waren, hatten den Schiffen mit unterschiedlich starker Besorgnis nachgesehen. Alle wünschten ihnen viel Glück und baldige Wiederkehr. Bis auf die Japaner. Ori, einer von ihnen, preßte die Augen an eine Ritze in den Fensterläden, nach außen hin gut gedeckt von den hohen Kamelienbüschen, die hier überall reichlich wuchsen und von Seratard, einem begeisterten Gärtner, gepflanzt worden waren.
    Schon seit lange vor Mitternacht saß Ori in seinem Versteck und wartete auf sie; die Zeit verging langsam, während er sich immer wieder Pläne ausdachte, bis er schließlich müde wurde, nervös sein Kurzschwert kontrollierte, das locker in der Scheide steckte, und nach der Derringer tastete, die er im Ärmel seines Fischerkimonos verborgen hatte. Doch als er sah, wie sie in Begleitung der beiden Gai-Jin auf die Gesandtschaft zukam, war seine Müdigkeit mit einem Schlag verflogen.
    Einen Moment hatte er erwogen, sich auf sie zu stürzen und alle drei umzubringen, den Einfall aber als töricht verworfen, denn er wußte, daß es unmöglich war, drei Personen und den Wachtposten umzubringen, bevor er selbst getötet wurde. Und außerdem, dachte er grimmig, würde das meinen Entschluß zunichte machen, sie vor meinem Tod noch einmal zu nehmen und anschließend die Niederlassung in Brand zu stecken. Wenn ich Hiraga nicht immer wieder aufstachle, wird er es niemals tun. Er ist so schwach geworden – von den Gai-Jin angesteckt. Und wenn Hiraga, der Starke, so schnell schwach wird, was ist dann mit den anderen? Der Kaiser hat recht, die Gai-Jin zu hassen und sie unbedingt vertreiben zu wollen!
    Also zügelte er seinen Zorn, drückte sich tiefer ins Versteck und ließ sich Zeit, suchte für jede Situation vorauszuplanen. Ein Eindringen durchs Fenster war unmöglich, solange sie nicht die Gitter entfernte. Die Hintertür war unbewacht und daher eine Möglichkeit – und, falls sie nicht aufging, eine gute Klettergelegenheit zum ersten Stock. Er hatte zugesehen, wie sie sich entkleidete, kaum zwei Schritte von ihm entfernt, nur durch die Mauer von ihm getrennt. Nun wurde sie von der Dienerin ins Bett gebracht. Seine Ungeduld wuchs fast ins Unerträgliche.
    Einige Zeit zuvor hatte ihn in einer Gasse hinter der High Street plötzlich eine der Patrouillen angehalten, die in der Niederlassung während der Nacht für Ordnung sorgten. Er war furchtlos stehengeblieben, denn es gab keine Sperrstunde, und kein Teil der Niederlassung war für Japaner gesperrt, obwohl sie sich, um den Zorn der Gai-Jin nicht herauszufordern, klugerweise meistens in ihrem eigenen Viertel aufhielten. Leider hatte der Sergeant ihm eine Laterne praktisch ins Gesicht gestoßen, woraufhin er erschrocken zurückgezuckt und das versteckte Kurzschwert zu Boden gefallen war. »He, du kleiner Bastard, du weißt genau, daß Dolche hier verboten sind, kinjiru.«
    Obwohl Ori die Worte nicht verstand, waren der Inhalt der Vorschrift und die Strafe dafür allgemein bekannt. Also griff er sich das Messer und lief davon; der Sergeant schoß zwar hinter ihm her, aber die Kugel prallte harmlos von einem Dachziegel ab, während er über eine niedrige Mauer setzte und in dem Labyrinth der Gassen und Häuser untertauchte. Die Patrouille machte sich nicht die Mühe, ihn zu verfolgen, sondern rief ihm ein paar Flüche nach: Ein Messer mit sich zu führen war eine leichte Übertretung, die Strafe dafür Prügel an Ort und Stelle und Konfiszierung der Waffe.
    Wieder hatte er im Verborgenen gewartet, bis er sich einer Gruppe Fischer anschließen konnte, die zum Wasser hinunterging; dann hatte er kehrtgemacht, war über den Zaun der Gesandtschaft gestiegen und hatte kurz darauf ein sicheres Versteck gefunden. Dort hatte er geduldig gewartet.
    Am selben Morgen hatte er vorgegeben, zur Reise nach Kyōto bereit zu sein, wie Hiraga es von ihm verlangte. »Sobald ich dort mit Katsumata Verbindung aufgenommen habe, werde ich euch benachrichtigen«, hatte er mit absichtlich verstockter Miene versichert. »Sorgt dafür, daß mir das Mädchen nicht entkommt.«
    »Sie ist die Frau des Tai-Pan, also werden all ihre Schritte bewacht, und sie wird leicht zu finden sein«, hatte Hiraga ihm ebenso kalt erklärt. »Sei vorsichtig, die Tokaidō ist gefährlich. Die Wärter der Straßensperren werden besonders wachsam sein.«
    »Besser, wir würden sonno-joi folgen, besser, du würdest mir erlauben hier zu bleiben, besser, wir würden Yokohama niederbrennen.

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