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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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    »Ich werde hier warten, M’selle Angélique, bis sie wiederkommt.« Der ältere Mann gähnte. »Vermutlich haben Sie sich beide geirrt, und es war tatsächlich der Wind. Wer sollte an die Fensterläden hämmern, eh? Es gibt hier keine nichtsnutzigen Gassenjungen in der Niederlassung, die dumme Streiche aushecken oder sich als Taschendiebe durchschlagen, Gott sei’s gedankt. Muß also der Wind gewesen sein, eh?«
    »Sicher haben Sie recht«, sagte André, der seinen Schrecken überwunden hatte, obwohl er fürchtete, daß jemand draußen gewesen sein und sie beobachtet haben könnte. »Meinen Sie nicht auch, Angélique?«
    »Ich… Ich… Ja, vielleicht.« Sie war noch immer nervös und hatte die Angst noch nicht überwunden, weder die Angst vor ihm noch die vor dem plötzlichen Geräusch. Warum war es in jenem Moment erfolgt? War es ein Mensch gewesen oder ein von Gott gesandter Windstoß – ein echtes Gottesgeschenk? Wind oder nicht, Mensch oder nicht, es ist mir egal, entschied sie. Ich bin der Gefahr entronnen, morgen ziehe ich wieder zu Malcolm um, ich wage es nicht, länger hier zu bleiben, ich darf nicht bleiben, es ist hier viel zu gefährlich. »Es klang, als hämmere jemand an den Laden, aber… aber ich kann mich irren. Es kann auch ein… ein plötzlicher Windstoß gewesen sein.«
    »Das war es sicher«, behauptete Vervene zuversichtlich. »Meine Läden klappern alle, ständig reißen sie mich aus dem Schlaf.« Er hustete, setzte sich und sah freundlich zu André hinüber, dessen Gesicht noch immer kalkweiß war. »Sie brauchen hier nicht länger zu warten, mein Freund. Sie sehen so schlimm aus, als hätten Sie, Gott behüte, eine Krise mit der Leber.«
    »Möglich. Möglich, daß es das ist. Ich fühle mich wirklich nicht besonders.« André sah zu Angélique hinüber. »Entschuldigen Sie«, sagte er und hielt ihren Blick fest, ließ seine Stimme ruhig und leise klingen, war scheinbar wieder der alte André; seltsames Verhalten, Begierde und Gewalttätigkeit – alles verschwunden. »Gute Nacht, Angélique, Sie haben keinen Grund, sich vor irgend etwas zu fürchten – niemals. M’sieur Vervene hat durchaus recht.«
    »Ja… Ja, danke, André.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, dann war er fort. Sie hatte ihn genau gemustert, die Wahrheit hinter seinen Augen zu sehen versucht. Sie blickten freundlich drein, sonst nichts. Aber sie traute dem nicht, was sie gesehen hatte. Dennoch war ihr klar, daß sie Frieden mit ihm schließen, seine unvermeidlichen Entschuldigungen akzeptieren und so tun mußte, als habe sie alles vergessen und stimme ihm zu, daß der Überfall ein vorübergehendes Aufflackern von Raserei gewesen war, daß sie wieder Freunde werden konnten. Nach außen hin.
    Sie erschauerte. Denn im tiefsten Innern erkannte sie auch, daß sie ihm letztlich alles geben mußte, was er verlangte. Solange er lebte.
    Ori zitterte; er hockte an einem umgedrehten Fischerboot auf dem kiesigen Strand. »Du bist vollkommen baka«, keuchte er voll Wut auf sich selbst. Bevor ihm klar war, was er tat, hatte er an die Läden gehämmert und war sofort, entsetzt über die eigene Dummheit, über den Zaun geklettert, hatte sich den Ruderriemen gegriffen, den er zur Tarnung benutzte, ihn geschultert und war, die Stimmen der Gai-Jin hinter sich lassend, über die Straße getrabt, ohne von jemandem angehalten zu werden.
    Hiraga hat recht, dachte er angeekelt, während ihm das Herz in der Brust schmerzte, die Schulter pochte und ein warmes Blutrinnsal aus dem Riß in seiner Wunde lief, den er sich bei seiner hastigen Flucht zugezogen hatte. Vielleicht hat diese Frau mich wirklich verrückt gemacht. Ein Wahnsinn, an die Läden zu hämmern – was sollte mir das nützen? Was spielt es für eine Rolle, wenn noch ein anderer mit ihr aufs Kopfkissen geht? Warum sollte mich das so wütend machen, daß mir das Herz in den Ohren dröhnt? Sie ist nicht mein Eigentum, ich will sie nicht besitzen, was macht es also, wenn ein anderer Gai-Jin sie mit oder ohne Gewalt nimmt? Manche Frauen brauchen ein gewisses Maß an Gewalt, um in Erregung zu kommen, genau wie manche Männer… Ah, Moment! Wäre es besser gewesen, wenn sie sich gegen mich gewehrt hätte, anstatt mich willig zu empfangen, obwohl sie unter Drogen stand – oder wenigstens so tat?
    So tat?
    Dieser Gedanke kam ihm zum erstenmal. Seine Wut legte sich ein wenig, obwohl sein Herz weiterhin raste und der Schmerz in seinen Schläfen nicht verschwand. Konnte es

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