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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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entfernt.
    Alle, die sie sahen, zogen den Hut und murmelten einen Gruß, den sie zerstreut erwiderte. Ori hätte sich tiefer in den Schatten zurückziehen können, aber das tat er nicht: Er zog die Mütze, genau wie die anderen, und starrte sie an. Kurzer Bart, kraftvolles Gesicht, neugierige Augen, die Haare kurz, aber gepflegt. Ihr Blick strich über ihn hinweg, aber sie nahm ebensowenig von ihm Notiz wie Vervene, der höflich auf französisch plauderte.
    Sie kamen nur wenige Meter entfernt an ihm vorbei. Ori wartete, bis sie in der französischen Gesandtschaft verschwunden waren – jetzt standen keine Wachtposten dort, weil alle an der Brandbekämpfung teilnahmen –, dann schlich er sich das Gäßchen entlang davon. Sobald er sicher war, daß niemand ihn beobachtete, kletterte er, wie zuvor auch schon, über den Zaun der Gesandtschaft und duckte sich in sein altes Versteck unter ihrem Fenster. Heute abend waren die Läden nicht verriegelt, sondern standen offen. Ebenso die innere Tür. Er konnte quer durchs Zimmer bis in den Korridor sehen und beobachtete, wie die beiden den Raum gegenüber betraten. Die Tür stand angelehnt.
    Nun, da er sicher und unbeobachtet war, kontrollierte Ori seine Derringer und vergewisserte sich, daß sein Dolch locker in der Scheide saß. Dann hockte er sich auf die Fersen, atmete tief durch und dachte nach. Von dem Augenblick an, da er Hiraga und fast zugleich auch das Feuer bei Struan’s entdeckte, hatte er sich hauptsächlich von seinem Instinkt leiten lassen. Das darf nicht so weitergehen, sagte er sich.
    Jetzt muß ich planen. Und zwar schnell.
    Die offenen Läden wirkten wie ein Magnet. Über die Fensterbank glitt er ins Zimmer.

26
    »Warum schlafen Sie heute nacht nicht hier, M’selle, M’sieur Struan? Wir haben eine Menge Platz«, sagte Vervene.
    Es war inzwischen fast Dinnerzeit; in dem großen Konferenzzimmer der französischen Gesandtschaft tranken sie Champagner, und soeben war Jamie gekommen, um zu berichten, der Brand sei gelöscht, es sei nichts wirklich Ernstes passiert, nur ein Wasserschaden in ihrer und ein kleinerer in Struans Suite. »Sie können gern meine Räume benutzen, Tai-Pan«, sagte Jamie. »Ich werde anderswo unterkriechen. Und Miss Angélique kann in Vargas’ Zimmer schlafen.«
    »Das ist nicht nötig, Jamie«, wehrte Angélique ab. »Wir können hier bleiben, es ist nicht nötig, jemanden zu belästigen. Morgen wollte ich ohnehin hierher umziehen, nicht wahr, chéri?«
    »Ich glaube, in meiner eigenen Suite hätte ich es bequemer. Sie sagen, sie sei in Ordnung, Jamie?«
    »O ja, kaum beschädigt. Möchten Sie dann meine Räume benutzen, Miss Angélique?«
    »Danke, Jamie. Aber ich bin hier wunderbar untergebracht.«
    »Gut, das wäre also erledigt.« Struans Augen hatten einen seltsamen Blick; er fühlte sich sehr müde. Der schlimmste Schmerz wurde zwar noch vom Opium gedämpft, nicht aber sein nagender Zorn auf Norbert Greyforth.
    »Sie sind uns jederzeit herzlich willkommen, M’sieur Struan«, sagte Vervene. »Wir haben wirklich ausreichend Platz, weil der Gesandte mit seinem Stab für einige Tage in Edo ist.«
    »Ach!« Angélique war sichtlich erschrocken. Morgen mußte André die Medizin holen. Alle blickten sie an. »Aber André hat mir gesagt… er hat mir gesagt, sie kämen nach der Sitzung mit dem Shōgun alle spätestens morgen früh zurück.«
    »Das hängt davon ab, wie pünktlich der Shōgun ist und wie die Sitzung verläuft, M’selle – und unsere Gastgeber sind ja wohl international bekannte Vorbilder an Pünktlichkeit, eh?« Vervene kicherte über den eigenen Scherz und setzte großmütig hinzu: »Man weiß nie, wie Staatsangelegenheiten sich entwickeln. Es kann einen Tag dauern oder auch eine Woche. Noch einen Cognac, M’sieur Struan?«
    »Danke. Ja, das…«
    »Aber André hat gesagt, die Sitzung werde heute vormittag stattfinden, und sie würden spätestens morgen zurück sein.« Sie kämpfte mit den Tränen, die ihr über die Wangen zu laufen drohten.
    »Was zum Teufel ist mit dir los, Angel?« fragte Struan ungehalten. »Ist es so wichtig, wann sie zurückkommen?«
    »Es… Nein, nein. Aber… Aber ich hasse es einfach, wenn jemand etwas sagt und es dann nicht tut.«
    »Du hast dich vermutlich verhört, es ist lächerlich, sich über so unwichtige Dinge aufzuregen.« Struan trank einen großen Schluck aus seinem nachgefüllten Glas. »Um Himmels willen, Angel!«
    »Vielleicht sind sie ja morgen zurück, M’selle«, sagte

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