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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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kleine Flamme im Luftzug bewegte. Ihm schien, als warte er eine Ewigkeit. Lautlos trat er aus der Dunkelheit auf die Schwelle. Die Tür glitt leise ins Schloß. Die ferne Musik erstarb. Sie öffnete die Augen, konzentrierte ihren Blick und sah ihn.
    Irgendein Instinkt sagte ihr, daß er es war – der Mörder von der Tokaidō, Vater des Kindes, das nie leben sollte, der sie vergewaltigt, aber keine Erinnerung an Schmerz oder Gewalt hinterlassen hatte, sondern nur erotische Halbträume, im Schlaf, im Wachen –, daß sie hilflos war und daß er heute nacht auch sie töten würde.
    Beide wagten kaum zu atmen. Verharrten reglos. Warteten darauf, daß der andere etwas tat. Noch immer im Schock, sah sie seine Jugend, kaum älter als sie, ein wenig größer, am Gürtel den Dolch in der Scheide, rechte Hand am Griff, Bart und Haar sauber gestutzt und kurz, breite Schultern und schmale Hüften, grobes Hemd, weite Kniehosen, kräftige Waden und Beine, Bauernsandalen. Das Gesicht im Schatten.
    Es ist wieder mal ein Traum, natürlich ist es ein Traum, kein Grund zur Angst… Verwirrt stützte sie den Kopf auf eine Hand und winkte ihm, ans Licht zu treten.
    Vorübergehend im selben unwirklichen, traumhaften Zustand gefangen wie sie, gehorchten seine Füße, und als sie die feingeschnittenen Züge sah, so anders und fremd, die dunklen, von Sehnsucht erfüllten Augen, öffnete sie den Mund, um ihn zu fragen: Wer bist du, wie heißt du? Er jedoch dachte, sie werde schreien, und sprang von Panik erfüllt vorwärts, um ihr brutal die nackte Klinge an die Kehle zu setzen.
    »Bitte, nicht!« keuchte sie, ins Kissen zurückgedrückt, und schüttelte, da er sie nicht verstand, heftig den Kopf, starr vor Angst, mit flehendem Blick, jede Faser ihres Körpers schreiend: Du wirst sterben, diesmal gibt es kein Entkommen! »Bitte – nicht!«
    Der Ausdruck der Angst verließ sein Gesicht, und während er vor ihr stand und sein Herz ebenso stark hämmerte wie das ihre, legte er sich einen Finger auf die Lippen, um sie zu warnen, sich still zu verhalten, weder zu schreien noch sich zu rühren, »Iyé«, flüsterte er heiser. Und setzte hinzu: »Nein!«
    Ein Schweißtropfen rann an seiner Wange hinab.
    »Ich… Ich bin ganz leise«, murmelte sie, von schierem Entsetzen verwirrt. Sie zog sich die Bettdecke über die Lenden. Sofort riß er sie wieder herunter. Ihr Herz stand still. In dieser Sekunde wußte sie, daß irgendein Urinstinkt sie auf eine andere Ebene geschleudert hatte, und fühlte sich von einem latenten, neu gefundenen Wissen erfüllt. Ihr Entsetzen begann nachzulassen. Innere Stimmen schienen zu wispern: Sei vorsichtig, wir können dich leiten. Achte auf seine Augen, mach keine unvermittelte Bewegung, zuerst das Messer…
    Mit hämmerndem Herzen beobachtete sie seine Augen und legte sich, wie er, den Zeigefinger auf die Lippen; dann deutete sie vorsichtig auf die Klinge und winkte sie weg.
    Wie eine gespannte Feder stand er da und erwartete, daß sie jeden Moment zur Tür stürzen und schreien werde; er wußte, daß er sie mühelos zum Schweigen bringen konnte, aber das paßte nicht zu seinem Plan: Sie sollte zur Tür fliehen, wann er es wollte, und schreien und schreien, um den Feind zu wecken; dann würde er einmal zustoßen und sich vergewissern, dann würde er warten, und wenn sie kamen, würde er rufen: »Sonno-joi«, das Messer gegen sich selber richten und, dem Feind ins Gesicht speiend, sterben. Das war sein Plan – einer von vielen, die er erwogen hatte: Sie wild nehmen, anschließend erst sie und dann sich selbst töten, oder sie, so sehr er sie auch jetzt begehrte, einfach sofort lautlos töten, wie er es zuvor schon hätte tun sollen, auf den Bettlaken wie damals, die Tokaidō-Schriftzeichen hinterlassen und durchs Fenster fliehen. Aber sie reagierte nicht, wie er es erwartet hatte. Ruhiger, steter Blick, eine Hand, die seine Klinge wegwinkte, himmelblaue Augen, die baten, nicht bettelten, Spannung, ja, aber jetzt kein Entsetzen mehr. Unsicheres Halblächeln. Warum?
    Die Klinge bewegte sich nicht.
    Sei geduldig, wisperten ihre inneren Stimmen…
    Wieder winkte sie die Dolchspitze von sich, ohne Eile, mit festem Willen. Seine Augen wurden noch schmaler. Mühsam riß er den Blick von ihren Augen los, um ihn über ihren Körper wandern zu lassen, dann wurde er unerbittlich zu ihren Augen zurückgezogen. Was hat sie vor? Mißtrauisch senkte er den Dolch und wartete, jederzeit zum Zustoßen bereit.
    Er stand dicht neben dem

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