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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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bewegten sich nicht, obwohl ihr Kopf eine spontane Verneinung samt Achselzucken formuliert hatte, die jedoch im selben, von Übelkeit erfüllten Moment ersetzt wurde durch: »Ich… Ich habe… so eins verloren. Sind Sie sicher, daß es meins ist? Wo haben Sie’s gefunden?«
    »Am Hals des Mannes, der bei Ihnen einzudringen versuchte.«
    »An seinem Hals? Wie… Wie merkwürdig«, hörte sie sich sagen, während sie sich beobachtete, als sei sie ein anderer Mensch, und um Selbstbeherrschung rang, obwohl sie am liebsten laut aufgeschrien hätte, denn sie wußte, daß sie wieder in der Klemme saß. Ihr Verstand versuchte hektisch einen plausiblen Grund zu erfinden. »An seinem Hals?«
    »Ja. Ich hab’s ihm abgenommen. Dachte mir anfangs nichts dabei, nur daß der Mann zum Katholizismus übergetreten sein mußte. Ganz zufällig sah ich dann die Gravierung – kaum zu entziffern.« Ein nervöses Lachen. »Meine Augen sind besser als die Dr. Hoags. ›Für Angélique von Mama, 1844.‹«
    Ihr Mund sagte: »Arme Mama, sie ist vier Jahre danach bei der Geburt meines Bruders gestorben.« Sie sah, wie ihre Finger das Kruzifix nahmen und untersuchten, kniff im Licht der Öllampe die Augen zusammen, vermochte die winzige Schrift kaum deutlich zu lesen, verfluchte die Gravur. Dann folgte sie ihrem Instinkt und sagte: »Ich hab’s auf… auf der Tokaidō verloren oder geglaubt, es verloren zu haben, vielleicht auch in Kanagawa, an dem Abend, als ich Malcolm besuchte, wissen Sie noch?«
    »O ja. Eine schlimme Nacht und ein sehr, sehr schlimmer Tag.« Babcott erhob sich zögernd. »Ich, äh, ich fand, Sie sollten es zurückerhalten.«
    »Ja, ja. Danke. Ich bin froh, daß ich es zurückhabe. Sehr froh, aber bitte, nehmen Sie doch Platz, gehen Sie noch nicht.« Obwohl sie wollte, daß er ging. »Wer war er, dieser Mann, und wie hat er es finden können? Und wo?«
    »Das werden wir nie erfahren, jetzt nicht mehr.« Babcott beobachtete sie. »Hat Malcolm Ihnen erzählt, daß wir ihn für einen der teuflischen Mörder von der Tokaidō halten, obwohl weder er noch Phillip ganz sicher sind? Ein wahrer Teufel!«
    Trotz ihrer Angst, unter der sie sich in dieser neuen Falle wand, hatte sie das unwiderstehliche Bedürfnis, hysterisch zu lachen und zu sagen: Aber er war kein Teufel, nicht bei mir, nicht beim erstenmal, beim erstenmal hat er mich am Leben gelassen, und auch kein Teufel, nachdem ich ihn verändert hatte. Er hat mich nicht getötet, obwohl ich wußte, daß er es tun würde, ich weiß, daß er es tun wollte, kurz bevor ich ihn zum Gehen überredete… Teufel, nein, aber dennoch hatte er den Tod verdient…
    Mon Dieu, ich weiß noch nicht einmal, wie er heißt, ich war so sehr darin verstrickt, daß ich vergessen habe, danach zu fragen… Ich muß wahnsinnig sein, derartige Dinge zu denken. »Wer war er?«
    »Das weiß keiner. Noch nicht. Dieser Satsuma-König könnte nun, da er tot ist, seinen Namen nennen, aber das wäre vermutlich ein falscher. Die Japaner sind so furchtbare Lügner – nein, das stimmt nicht ganz, es ist nur so, daß das, was wir als Lüge bezeichnen, für sie eine Lebensform zu sein scheint. Vermutlich hat der Mann das Kreuz in Kanagawa gefunden. Können Sie sich erinnern, wann Sie entdeckt haben, daß es verschwunden war?«
    »Nein. Erst als ich hierher zurückkehrte…« Wieder sah sie seinen forschenden, fragenden Blick und schrie innerlich: Hat mein Puls ihm meinen wahren Zustand verraten? »Es ist wieder da. Gut, Gott sei Dank. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, aber warum sollte er es tragen oder behalten? Das ist es, was ich nicht begreife.«
    »Ich auch nicht. Äußerst sonderbar.«
    Das Schweigen wuchs. »Was meint Dr. Hoag dazu?«
    Babcott sah sie an, aber sie vermochte nicht zu sagen, was er dachte. »Ich habe ihn nicht gefragt«, antwortete er. »Ich habe weder mit ihm noch mit Malcolm darüber gesprochen.« Sein Blick suchte wieder den ihren, und seine Augen schienen um einen Ton dunkler zu werden. »Hoag ist ein Struan-Mann, und er… nun ja, seine Reisschale steht bei Tess Struan. Ich weiß nicht, warum, aber ich dachte, ich sollte zuerst mit Ihnen sprechen.«
    Abermals Schweigen. Sie wandte den Blick ab, war sich ihrer selbst nicht sicher und wünschte, sie könnte ihm aufrichtig vertrauen, wünschte, sie könnte einem anderen als André vertrauen – daß er es wußte, war schlimm genug –, war aber sicher, daß dies unmöglich war. Sie mußte sich an ihren Plan halten: Sie war allein

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