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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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und mußte sich selber helfen.
    »Vielleicht…«, begann sie, »nein, bestimmt hat er mein Kreuz in Kanagawa gefunden, er muß mich dort gesehen haben, und vielleicht…«, sie hielt inne; dann redete sie hastig weiter, führte ihn in die Irre, »vielleicht hat er es behalten, damit es ihn an mich erinnert, weil… Ach, ich weiß nicht, warum.«
    Verlegen sagte er: »Weil er Ihnen offensichtlich etwas antun wollte, meine Liebe, Sie besitzen, so oder so. Tut mir leid, aber so muß es sein. Auf den ersten Blick dachte ich wie alle anderen, daß er nur einer von diesen Gesetzlosen sei, die man Ronin nennt, aber Ihr Kreuz hat meine Meinung geändert. Als ich entdeckte, daß es Ihnen gehört… Es muß so gewesen sein, wie Sie sagten: Er hat Sie auf der Tokaidō gesehen, er muß Malcolm und Phillip Tyrer zusammen mit diesem anderen Mann nach Kanagawa verfolgt haben, um sie zu töten, vermutlich auch, um eine Identifizierung zu vermeiden. Dann hat er Sie wiedergesehen, das Kreuz gefunden und es behalten, weil es das Ihre war, hat Sie bis hierher verfolgt und versucht, bei Ihnen einzudringen, um Sie, noch einmal, tut mir leid, um jeden Preis zu besitzen. Vergessen Sie nicht, wie leicht sich ein solcher Mann von einer Frau wie Ihnen betören läßt, von blinder Leidenschaft zu ihr erfüllt sein kann.«
    Die Art, wie er das sagte, ließ deutlicher denn je erkennen, daß auch er ihrem Zauber verfallen war. Gut. Und gut, daß er die Wahrheit erkannt hat, dachte sie, fast ohnmächtig vor Erleichterung, daß eine weitere Gefahr gebannt war. Ihre Gedanken wanderten zu den Fläschchen und dem morgigen Tag, an dem sie, gereinigt, ihr neues Leben beginnen konnte.
    »Die Japaner sind seltsame Menschen«, sagte er. »So anders. Aber anders auf eine ganz besondere Art. Sie haben keine Angst vor dem Sterben. Sie scheinen den Tod sogar zu suchen. Sie hatten Glück, riesiges Glück, daß Sie entkommen konnten. Nun ja, ich muß jetzt gehen.«
    »Ja, und vielen, vielen Dank.« Sie griff nach seiner Hand und preßte sie an ihre Wange. »Sagen Sie’s Malcolm und Dr. Hoag? Damit wäre es dann gut.«
    »Malcolm überlasse ich Ihnen.« Sekundenlang erwog er, sie um Hilfe hinsichtlich seiner Opiumsucht zu bitten, entschied aber, daß die Sache noch nicht dringend genug sei und außerdem seine Aufgabe, nicht die ihre. Arme Angélique, sie hat genug, womit sie fertig werden muß. »Was Hoag betrifft, was geht das ihn an oder die Wichtigtuer und Schwätzer in Yokohama? Überhaupt nichts, und mich auch nicht, eh?«
    Er sah, wie ihre klaren Augen, ihre durchsichtige Haut, ihr ganzes Wesen Jugend und Gesundheit ausstrahlten, untermischt mit dieser magnetischen, unbewußten Sinnlichkeit, die sie ständig umgab und die, wider alle medizinischen Erwartungen, noch an Wirkung zugenommen hatte. Erstaunlich, dachte er, verwundert über ihre Widerstandskraft. Ich wünschte, ich wüßte um ihr Geheimnis, wüßte, warum manche Menschen an Widrigkeiten wachsen, an denen die meisten anderen zerbrechen.
    Unvermittelt vergaß er den Arzt in sich. Ich kann’s diesem Ronin nicht übelnehmen oder Malcolm, oder überhaupt einem, daß sie verrückt nach ihr sind, ich begehre sie auch. »Seltsam, das mit Ihrem Kreuz«, sagte er mit kehliger Stimme und ziemlich beschämt, »aber das Leben ist voller Seltsamkeiten, nicht wahr? Gute Nacht, meine Liebe, und schlafen Sie gut.«
    Der erste Krampf riß sie aus einem unruhigen Schlaf, der angefüllt war mit Kerkermeistern und schlitzäugigen, rasenden Dämonen, die Frauen aufgebläht von Schwangerschaft, die Männer gehörnt und fest entschlossen, sie Tess Struan zu entreißen, die Malcolm bewachte wie ein bösartiger Geist. Ein zweiter Krampf folgte kurz darauf und schleuderte sie in die Realität und die Erkenntnis dessen zurück, was mit ihr geschah.
    Die Erleichterung darüber, daß es begonnen hatte, löschte die Stunden der Besorgnis aus, denn die Zeit, bis sie endlich einschlafen konnte, war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen, jetzt war es kurz nach vier Uhr morgens. Als sie das letztemal auf ihre Uhr gesehen hatte, war es fast halb drei gewesen. Ein neuer Krampf, schlimmer als der erste, zwang sie, ihre Aufmerksamkeit auf die vorgeschriebene Folge zu richten.
    Mit zitternden Fingern entkorkte sie die zweite Flasche. Abermals hätte sie das stinkende Zeug fast wieder erbrochen, doch sie bekämpfte das Würgen mit einem Löffel Honig, während ihr Magen vor Ekel revoltierte.
    Keuchend legte sie sich zurück. Von ihrem

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