Noble House 02 - Gai-Jin
loben konnte, und lächelte ihn an. »Nichts für mich, der Cancan, nicht wahr, Liebling?«
»Das wäre zuviel.«
»Mein Wort darauf, ja«, sagte Marlowe.
»Ja«, sagte Malcolm und teilte, angenehm erregt, ihr heimliches Lächeln.
Als André wieder zu spielen begann, wählte er einen Walzer. Er reichte gerade aus, um Angéliques Knöchel zu zeigen, während sie umherwirbelte, nicht aber, um den kühnen Verzicht auf die langen Unterhosen zu enthüllen. André hatte ihr den Artikel in Le Figaro gezeigt, sie ermutigt und ihr Geheimnis geteilt. Den ganzen Abend lang hatte er sie und ihre Verehrer beobachtet – Babcott, der alle anderen überragte, und dann Pallidar und Marlowe, die versuchten, ihn aus dem inneren Kreis zu locken. Er hatte seine Geheimnisse und sein augenblickliches Doppelleben genossen. Angélique tanzte mit Sir William. Er lachte vor sich hin und ließ seine Gedanken schweifen, während seine Finger spielten. Was würden sie alle tun, wenn sie wüßten, was ich weiß? Über die Ohrringe, die Abtreibung und wie ich die Beweise beseitigt habe? Sie würden sich von ihr abwenden, als sei sie aussätzig, alle, auch der liebeskranke Struan – er mehr als alle anderen.
Wenn die Dinge anders lägen und ich mit ihr in Paris wäre, die Macht und das Geld des Noble House und einen anbetenden, aber invaliden Gatten im Rücken, welche Geheimnisse könnte ich dann erfahren! Man müßte sie von Expertinnen in den weiblicheren und nicht so edlen Künsten schulen lassen, ihre Krallen müßten geschärft werden, aber dann wäre sie eine klassische Kurtisane. Jeder Salon und jedes Bett würden sie willkommen heißen, und wenn sie erst Geschmack an dem Großen Spiel gefunden hätte, würde sich dieses ach so schlaue Küken genüßlich daran laben.
Und in mein Bett kommen? Früher oder später bestimmt, wenn ich Lust hätte, aber ich will sie nicht mehr und werde sie nicht nehmen, es sei denn aus Rache. Als Spielzeug ist sie viel amüsanter, und in dieser Welt gibt es so wenig Amüsement…
»Wunderbare Idee, André!« Phillip Tyrer strahlte ihn von oben an. »Settry hat gesagt, du hättest mit ihnen die ganze Sache ausgeheckt.«
»Was?«
»Den Cancan!«
»Ach, ja«, sagte André. Seine Finger spielten den Walzer weiter und beendeten ihn dann. »Zeit für eine Pause, trinken wir etwas«, sagte er und entschied, daß jetzt, fast in aller Öffentlichkeit, der richtige Moment war, Tyrer den Rücken zu stärken. »Wie ich höre, ist der Vertrag einer gewissen Dame ein Gesandtengehalt wert«, sagte er auf französisch und sah, wie Tyrer vor Verlegenheit errötete und sich umschaute. »Mein Gott, als ob ich so indiskret sein würde, Phillip. Keine Sorge, mein Freund, ich denke an deine Interessen.« Er lächelte und erinnerte sich an ihr kurzes Gespräch in der Burg von Edo. »Herzensangelegenheiten haben nichts mit Staatsgeschäften zu tun, obwohl ich glaube, daß Frankreich die Früchte der Erde mit Großbritannien teilen sollte, nicht?«
»Ich… ich bin deiner Meinung, André. Ja, ich… ich fürchte, die Verhandlungen laufen nicht so gut, ja, sie sind zum Stillstand gekommen.«
»Besser, französisch zu sprechen, oder?«
»Ja, ja, du hast recht.« Tyrer benutzte sein Taschentuch wie ein Dandy, um sich den Schweiß abzuwischen, der ihm plötzlich ausgebrochen war. »Hätte nie gedacht, daß es so schwierig sein würde.«
André winkte ihn näher heran. »Hör zu, ich kann dir sagen, wie du das in Ordnung bringst: Besuche sie heute nacht nicht, selbst wenn du für die Nacht eine Verabredung hast.« Er hätte beinahe laut gelacht, als Tyrer mit offenem Mund dastand. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, daß es hier nur wenige Geheimnisse gibt! Vielleicht kann ich helfen… falls du Hilfe brauchst.«
»O ja, die brauche ich, ja, bitte.«
»Dann…«
Beide schauten zu einem Roulettetisch, der am anderen Ende des Raumes aufgestellt worden war und wo Lachen und Beifall ertönten, als Angélique auf Null gewann – es ging heute nicht um Geld, sondern um wertlose chinesische Bronzemünzen, Spielgeld genannt. Vargas betätigte sich als Croupier.
Tyrer seufzte: »Glück im Spiel und Glück in der Liebe.«
»Sie arbeitet daran«, sagte André knapp, verärgert über Angélique, »und das solltest du auch tun. Hör zu, halt das Rendezvous mit Fujiko heute nacht nicht ein. Oh, ich weiß, Raiko hat es auf deine Bitten hin extra arrangiert – Raiko hat es mir übrigens nicht gesagt, es war eine ihrer Dienerinnen. Geh
Weitere Kostenlose Bücher