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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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veränderte sich nicht. Ein Seufzer. Dann lösten ihre langen Finger mit gleichmäßig gelassenen Bewegungen ihren Obi, sie stand auf und ließ den oberen Kimono fallen. Die ganze Zeit beobachtete sie ihn, ruhig wie eine Statue. Dann kam der Unterkimono, dann das erste Untergewand, dann das zweite und danach das Lendentuch. Ohne Hast drehte sie sich um und zeigte sich ihm, dann drehte sie sich wieder und trat vor ihn. Vollkommen in jeder Hinsicht.
    Er wagte kaum zu atmen und sah zu, wie sie niederkniete, ihre Tasse aufnahm, trank und nochmals trank; das Pochen in Kopf, Hals und Lenden trieb ihn an den Rand seiner Beherrschung.
    Tagelang hatte er sich vorgenommen, galant zu sein, so rücksichtsvoll und kundig, daß er der beste Liebhaber wäre, den sie je gehabt hatte. Er wollte ihre erste Vereinigung zu einer denkwürdigen und wundervollen Erfahrung machen. Sie war denkwürdig gewesen, aber nicht wundervoll. Sein Wille war zusammengebrochen. Er hatte nach ihr gegriffen und sie eilig zu den Futons gezogen, und dort hatte er sich barbarisch benommen.
    Seit jener Nacht hatte er sie und Raiko nicht gesehen. Er war ihnen und der Yoshiwara aus dem Weg gegangen. Am nächsten Tag hatte er Hinodeh eine Botschaft geschickt, die lautete, er werde sie benachrichtigen, wann er sie das nächste Mal zu besuchen beabsichtige. In der Zwischenzeit hatte er eine weitere Goldzahlung an Raiko geleistet und sein Gehalt für zwei Jahre verpfändet, um den festgelegten Preis zu bezahlen – und noch viel mehr.
    Gestern hatte er gesagt, er werde sie am heutigen Abend besuchen.
    Auf der Schwelle ihrer Veranda zögerte er. Geschlossene Shojis sperrten die Nacht aus. Innen schimmerte ein goldenes Licht. Sein Herz pochte wie das letzte Mal, seine Kehle war wie zugeschnürt. Innere Stimmen überschütteten ihn mit häßlichen Ausdrücken, die an ihn selbst gerichtet waren, schrien ihm zu, zu gehen, sich umzubringen – alles, um ihren Augen und dem abstoßenden Spiegelbild seiner selbst zu entgehen, das darin gestanden hatte. Laß sie in Frieden!
    Er zwang sich, die Schuhe auszuziehen, und schob die Tür auf. Sie kniete genauso da wie zuvor, in derselben Kleidung, mit demselben Lächeln, derselben Schönheit, dieselbe zarte Hand winkte ihm, sich zu ihr zu setzen, dieselbe sanfte Stimme sagte: »Der Saké ist so, wie man mir gesagt hat, daß Sie ihn mögen. Kühl. Trinken Sie Saké immer kühl?«
    Er starrte sie an. Die Augen, die mit so viel Haß gefüllt gewesen waren, als er sich taumelnd von ihr entfernte, lächelten ihn nun mit derselben süßen Scheu an wie im ersten Augenblick. »Was?«
    Als habe sie es noch nie gesagt, wiederholte sie im selben Ton: »Der Saké ist so, wie man mir gesagt hat, daß Sie ihn mögen. Kühl. Trinken Sie Saké immer kühl?«
    »Ich… ich… ja, ja«, sagte er und hörte kaum die eigene Stimme über dem Brausen in seinen Ohren.
    Sie lächelte. »Seltsam, im Winter kalte Getränke zu trinken. Ist Ihr Herz im Winter und im Sommer kühl?«
    Wie ein Papagei murmelte er die korrekte Antwort. Es fiel ihm nicht schwer, sich an jedes Wort und jedes Ereignis zu erinnern, die sich ihm unauslöschlich eingeprägt hatten, und obwohl seine Stimme brüchig klang, schien sie es nicht zu hören. Sie fuhr fort wie zuvor, ihre schrägen Augen waren ruhig.
    Nichts veränderte sich. »Möchten Sie essen?« fragte sie.
    »Im Augenblick bin… bin nicht hungrig.«
    Ihr Lächeln veränderte sich nicht. Auch nicht der Seufzer. Sie stand auf. Doch nun drehte sie die Öllampen herunter und ging in das Schlafzimmer, das er besudelt hatte, und löschte dort die Lichter ganz aus.
    Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er, daß durch die Shoji-Verkleidungen ein winziger Lichtschimmer von der Lampe auf der Veranda fiel, gerade genug, um vage ihren Umriß zu sehen. Sie entkleidete sich. Gleich darauf das Geräusch der Bettdecke, die zurückgezogen wurde.
    Er taumelte auf die Füße, ging in das Zimmer und kniete neben dem Bett nieder; längst hatte er gemerkt, daß sie versuchte auszulöschen, was niemals ausgelöscht werden konnte.
    »Aus meinem Gedächtnis niemals«, murmelte er gequält und tränenüberströmt. »Ich weiß nichts von dir, Hinodeh, aber es wird niemals ausgelöscht. Es tut mir so leid, so leid. Madonna, ich wünschte, oh, wie ich wünschte…«
    »Nan desu ka, Furansu-sama?«
    Er brauchte ein Weilchen, um sich auf den Gebrauch japanischer Worte einzustellen, und sagte zusammenbrechend: »Hinodeh, ich

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