Noble House 02 - Gai-Jin
würde ein Raum mit zwei weiteren Wachtposten liegen.
»Gut, Hauptmann. Jetzt legen Sie sich schlafen.«
»Danke, aber ich bin nicht müde, Herr.«
Yoshi hatte angeordnet, ihn als einfachen Goshi zu behandeln, es sei denn unter vier Augen, wo der einzige Titel, den sie benutzen würden, ›Herr‹ lautete. »Sie müssen etwas schlafen. Ich brauche Sie wach und munter. Wir haben noch viele weitere Tage vor uns.« Yoshi sah ein Flackern in den Augen des jungen Mannes, die vor Ermüdung rot unterlaufen waren. »Ja?«
Verlegen sagte Abeh: »Bitte entschuldigen Sie, aber falls es dringend ist, daß sie Edo erreichen, wäre es sicherer, wenn Sie sich der Dame voran eskortieren ließen.«
»Gönnen Sie sich etwas Schlaf«, sagte Yoshi. »Müde Männer machen Fehler. Es war auch ein Fehler, den Offizier niederzuschlagen. Der Wachtposten genügte.« Schweigend entließ er ihn. Abeh verbeugte sich und ging; er verfluchte sich für seine Dummheit, freiwillig etwas so Offensichtliches vorzuschlagen. Dreimal hatten sie heute unnötigen Halt gemacht, gestern zweimal. Er überprüfte alle Wachen und streckte sich in seinem Zimmer aus. Sofort schlief er ein.
Nach dem Bad, der Massage und der Mahlzeit, die er langsam zu sich genommen hatte, obwohl er sehr hungrig war, schlenderte Yoshi den Gang entlang. Die Entscheidung, Koiko mitzunehmen, war leicht gewesen. Ihm war klargeworden, daß sie ein perfekter Lockvogel sein würde, außerdem hatte er Akeda geraten, allen mitzuteilen, er sende sie nur unter Begleitschutz nach Edo, während er selbst getrennt von ihr reise.
»Perfekt«, hatte Akeda gesagt.
Er betrat ihr äußeres Zimmer. Es war leer, die innere Shoji-Tür war geschlossen. »Koiko?« rief er und ließ sich auf einem der beiden Kissen nieder. Die Tür wurde aufgeschoben. Sumomo kniete dahinter und hielt sie, den Blick auf die Tatami gerichtet, für Koiko auf. Ihr Haar war nach Kyōto-Mode aufgesteckt, ihre Augenbrauen gezupft, ihre Lippen ein wenig geschminkt. Eine willkommene Verbesserung, dachte er.
In dem Augenblick, in dem Koiko ihn sah, kniete sie nieder, und beide Frauen verneigten sich gemeinsam. Ihm fiel auf, daß Sumomo sich vollkommen verbeugte, Koikos Anmut nachahmend, und auch das gefiel ihm. Der harte Ritt war Sumomo in keiner Weise anzumerken. Er erwiderte den Gruß. Das Bett aus Daunenfutons war bereits aufgeschlagen.
Nachdem Koiko lächelnd den Raum betreten und Sumomo die Shoji-Tür hinter ihr geschlossen hatte, sagte sie: »Tora-chan, wie geht es dir?« Ihre Stimme war liebenswürdig wie immer, ihre Frisur perfekt wie immer, doch sie trug denselben Kimono wie in der vorangegangenen Nacht, was noch nie vorgekommen war.
Verlegen bemerkte er einen Hauch von Unbehagen, als sie sich niederließ. »Ist der Ritt zuviel für dich?«
»O nein, die ersten paar Tage sind immer ein wenig schwierig, aber bald werde ich so zäh sein wie…«, ihre Augen schauten fröhlich, »so zäh wie Domu-Gozen.«
Er lächelte, aber er wußte, er hatte sich in seinem Urteil geirrt. Gestern hatten sie drei Stationen zurückgelegt, heute ebenfalls, aber an keinem der beiden Tage hatte er die gewünschte Entfernung hinter sich gebracht. Das Reiten erschöpfte sie. Ich habe einen Fehler gemacht, den ich nicht hätte begehen sollen. Sie wird sich niemals beklagen und sich selbst übertreffen, sich vielleicht sogar Schaden zufügen.
Muß ich mich beeilen? Ja. Wird sie in einer Sänfte mit einer Eskorte aus zehn Mann sicher sein? Ja. Wäre es klug, meine Leibwache um so viele Männer zu verringern? Nein. Ich könnte heute nacht um mehr Männer nach Edo schicken, aber das würde mich fünf oder sechs Tage kosten. Mein Instinkt rät mir zur Eile, die Gai-Jin sind unberechenbar, und das sind auch Anjo und Ogama – hat er doch gedroht: »Wenn Sie nicht mit ihnen fertig werden, dann werde ich es.«
»Laß uns zu Bett gehen, Koiko-chan. Morgen ist morgen.«
In der Nacht lag Sumomo auf warmen Futons und unter Decken im äußeren Zimmer, einen Arm unter dem Kopf, schläfrig, aber nicht müde, und beruhigt. Aus dem inneren Raum konnte sie Yoshis regelmäßigen und Koikos kaum wahrnehmbaren Atem hören. Draußen ertönten die Geräusche der Nacht, das Bellen eines Hundes, Wind in den Blättern, gelegentlich ein Wächter, der einem anderen etwas zumurmelte, das Klappern von Töpfen und Pfannen bei der frühen Küchenarbeit.
Ihr erster Schlaf war gut gewesen. Zwei Tage körperlicher Bewegung, kräftiger Massage und Freiheit hatten
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