Noble House 02 - Gai-Jin
bewirkt, daß sie vor Vitalität bebte. Und auch die Komplimente Koikos über ihre Frisur am heutigen Abend, wie Teko es ihr beigebracht hatte – und die leichte Schminke auf ihren Lippen –, hatten ihr Freude gemacht.
Alles gelang besser, als sie es sich erträumt hatte. Ihr unmittelbares Ziel war erreicht. Sie war akzeptiert worden. Sie waren auf dem Weg nach Edo. Zu Hiraga. Sie gehörte zum innersten Kreis von Yoshis Umgebung und war ihrer selbst sicher. Katsumata hatte gesagt: »Sei nicht herrisch. Bringe dich unter keinen Umständen in Gefahr, solange keine Chance zur Flucht besteht. In seiner Nähe bist du von ungeheurem Wert, verdirb das nicht und zieh Koiko nicht hinein.«
»Sie wird nicht über mich Bescheid wissen?«
»Nur das, was ich ihr gesagt habe und was du weißt.«
»Dann ist sie bereits hineingezogen, nicht wahr? Tut mir leid, ich meine, weil Yoshi mich vielleicht ihretwegen akzeptieren wird.«
»Er wird diese Entscheidung treffen, nicht sie. Nein, Sumomo, sie ist nicht deine Komplizin. Wenn sie deine wirklichen Verbindungen entdecken würde, vor allem zu Hiraga, und dein potentielles Ziel, würde sie es verhindern – würde es verhindern müssen.«
»Potentielles Ziel? Bitte, was ist meine vorrangige Pflicht?«
»Bereit zu sein. Besser ein wartendes Schwert als ein Leichnam.«
Ich habe kein Schwert, dachte sie. Vielleicht könnte ich einem Wächter eines entreißen, wenn ich ihn überraschen könnte. Ich habe drei Shuriken mit vergifteten Spitzen in dem Bündel neben mir versteckt, und natürlich trage ich mein Obi-Messer immer am Körper. Im Falle einer Überraschung ist das mehr als genug. Eeee, das Leben ist sehr seltsam. Seltsam, daß es mir lieber ist, allein zu sein und meinen eigenen Auftrag zu haben – das ist unserer normalen Lebensweise so fremd, immer sind wir Teil einer Gruppe, denken als eines, stimmen als eines überein. Es hat mir gefallen, bei der Gruppe der Shishi zu sein, und doch…
Und doch, um ehrlich zu sein – »Sei immer ehrlich zu dir selbst, Sumomo-chan«, hatte ihr Vater wieder und wieder gesagt, »das ist dein Weg in die Zukunft als Führerin.« Um ehrlich zu sein, es fiel mir schwer, meinen Drang zu brechen, sie zu leiten und sie auf den richtigen Weg und zum richtigen Denken zu führen. Ist das mein Karma, zu führen? Oder besteht es darin, unerfüllt zu sterben, weil es für eine Frau wirklich dumm ist, Führerin sein zu wollen? Seltsam, sich das Unmögliche zu wünschen. Warum bin ich so und nicht wie andere Frauen? Ist es, weil Vater keine Söhne hatte und uns, seine Töchter, wie Söhne behandelte, uns aufforderte, stark zu sein und niemals Angst zu haben, und mir sogar Mutters Rat gestattete, Hiraga und seinem Stern zu folgen…
Sie setzte sich einen Augenblick auf und zerzauste ihr Haar in dem Versuch, einen klaren Kopf zu bekommen und ihren Geist an so vielen neuen und schrankenlosen Gedanken zu hindern. Dann legte sie sich wieder hin. Aber der Schlaf wollte nicht kommen, nur wechselnde Vorstellungen von Hiraga und Koiko und Yoshi und Katsumata und ihr selbst.
Seltsam war das mit Yoshi: »Wir müssen ihn und den Shōgun töten«, hatte Katsumata so viele Male gesagt, und Hiraga: »Nicht um ihrer selbst willen, sondern um der Sache willen, die sie repräsentieren. Die Macht wird nie zum Kaiser zurückkehren, solange sie am Leben bleiben. Also müssen sie sterben, vor allem Yoshi – der Leim, der das Shōgunat zusammenhält. Sonno-joi ist unser Leuchtfeuer, und um das zu erlangen, muß jedes Opfer gebracht werden!«
Ein Jammer, Herrn Toranaga zu töten. Ein Jammer auch, daß er ein guter Mann ist, nicht böse wie Anjo, den ich allerdings nie gesehen habe. Vielleicht ist Anjo ebenfalls ein freundlicher Mann, und alles, was über ihn gesagt wird, sind nur Lügen eifersüchtiger Narren.
In dieser kurzen Zeit habe ich Yoshi als das erkannt, was er ist: dynamisch, freundlich, stark, weise und leidenschaftlich. Und Koiko? Wie wunderbar ist sie, aber auch so traurig, so traurig, so verloren zu sein.
Ich weiß noch, was sie sagte: »Der Fluch unserer Welt ist, daß man, so sehr man sich auch beherrscht und entschlossen ist, einen Kunden nur als Kunden zu behandeln, von Zeit zu Zeit jemanden trifft, der unseren Kopf in Pudding verwandelt, unsere Entschlossenheit in Schaum und unsere Lenden in einen Feuerball. Wenn das geschieht, ist es erschreckend, wunderbar schrecklich. Man ist verloren, Sumomo. Wenn die Götter günstig gestimmt sind, stirbt man
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