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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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daß er vorläufig sicher war und in wenigen Augenblicken über die Mauer geklettert sein würde.
    Sergeant Towrey vermochte von seinem Posten aus beide Soldaten zu sehen. Er hielt das gespannte Gewehr locker in beiden Händen, war aber ebenso unsicher wie die beiden, mochte keinen blinden Alarm schlagen. Es war eine schöne Nacht, ein leichter Wind wehte, der Mond schien hell. Sehr leicht, in diesem beschissenen Garten Schatten mit Feinden zu verwechseln, dachte er. Gott, ich wünschte, ich wäre wieder im guten, alten London!
    »‘n Abend, Sergeant Towrey. Was ist los?«
    »‘n Abend, Sir.« Towrey salutierte stramm. Es war dieser Dragoneroffizier, Pallidar. Er berichtete, was man ihm gesagt hatte. »Könnte ein Schatten gewesen sein. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
    »Am besten holen Sie sich weitere Männer und vergewissern sich, daß…«
    In diesem Moment wirbelte der junge Soldat, der dem Versteck am nächsten war, herum und legte die Muskete an. »Sergeant!« rief er aufgeregt und erschrocken, »hier ist das Schwein!«
    Und schon ging Shorin, das Schwert hoch erhoben, zum Angriff über. Aber das geschickt gehaltene Bajonett hielt ihn auf Distanz, während die anderen herbeigelaufen kamen und Pallidar den Revolver herausriß. Wieder wollte Shorin angreifen, wurde aber von der Länge des Gewehrs mit dem aufgesetzten Bajonett daran gehindert, rutschte, warf sich zur Seite, um dem Bajonettstoß zu entgehen, und floh durch die Büsche in Richtung Mauer. Der junge Soldat hinter ihm her.
    »Achtung!« schrie Towrey, doch der Soldat hörte den Warnruf nicht, lief ins Gebüsch und starb durch das Kurzschwert, das tief in seiner Brust steckte. Fest überzeugt, daß es nun keinen Ausweg mehr gab und die anderen ihn fast erreicht hatten, riß Shorin es heraus.
    »Namu Amida Butsu« – im Namen des Buddha Amida –, keuchte er in seiner Angst, empfahl Buddha seinen Geist und schrie: »Sonno-joi!«, nicht um Ori zu warnen, sondern um ein letztes Bekenntnis abzulegen. Dann stieß er sich mit verzweifelter Kraft das Messer in die Kehle.
    Ori hatte das meiste mitangesehen, nur nicht das Ende. Als der Soldat seinen Ruf ausstieß und angriff, war er Hals über Kopf zum Bett gestürzt, weil er erwartete, daß sie aufschreckte; zu seinem Erstaunen aber hatte sie sich weder gerührt, noch hatte sich der ruhige Rhythmus ihres Atems verändert, und so stand er mit zitternden Knien vor ihr und wartete darauf, daß sie die Augen aufschlug. Als dann der Schrei sonno-joi! ertönte, wußte er, daß Shorin angegriffen hatte, dann gab es weitere Geräusche. Aber noch immer bewegte sie sich nicht. Seine Lippen zogen sich von den Zähnen zurück, sein Atem ging keuchend. Auf einmal konnte er die Nervenanspannung nicht mehr ertragen; wütend begann er, sie mit dem verletzten Arm zu schütteln, und setzte ihr das Messer an die Kehle, um ihren Schrei im Keim zu ersticken.
    Aber sie rührte sich nicht.
    Für ihn war es wie ein Traum, und er beobachtete sich selbst, wie er sie noch einmal schüttelte, dann fiel ihm plötzlich ein, daß der Arzt ihr etwas zu trinken gegeben hatte, und er dachte, wieder eine von diesen Drogen, den neuen Drogen des Westens, von denen Hiraga uns erzählt hat. Er hielt den Atem an und versuchte, diese neue Erkenntnis zu verarbeiten. Um sich zu vergewissern, schüttelte er sie abermals, aber sie murmelte nur ein paar Worte und schmiegte sich tiefer in die Kissen.
    Ori kehrte ans Fenster zurück. Männer trugen den Leichnam des Soldaten aus dem Gebüsch. Dann sah er, daß sie Shorin wie einen Tierkadaver an einem Fuß ins Freie schleiften. Nun lagen die beiden Leichen Seite an Seite, im Tode einander seltsam ähnlich. Weitere Männer trafen ein, und Leute riefen aus den Fenstern. Ein Offizier stand vor Shorins Leichnam. Einer der Soldaten zog ihm die schwarze Kapuze mit der Maske vom Kopf. Shorins Augen standen offen, seine Züge waren verzerrt, der Messergriff ragte hervor. Noch mehr Stimmen und noch mehr Männer, die hinzukamen.
    Auch im Haus und im Korridor war jetzt Bewegung. Seine Anspannung wurde fast unerträglich. Zum zehntenmal vergewisserte er sich, daß der Türriegel geschlossen war und von außen nicht geöffnet werden konnte; dann versteckte er sich hinter den Gardinen des Himmelbetts, nahe genug, um sie zu erreichen, was immer geschehen mochte.
    Schritte kamen, es klopfte an der Tür. Im Spalt unter der Tür Licht von einer Öl- oder Kerzenlampe. Das Klopfen wurde lauter, Stimmen erhoben

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