Noble House 02 - Gai-Jin
drehte sich um und vergaß sie, fand es dumm, daß sie diese Lust zurückwies. Sie war nicht gekränkt, sondern kehrte ihm leicht amüsiert ebenfalls den Rücken. Ihre Hand tastete nach dem Obi-Messer an ihrer Taille. Diese Berührung gab ihr den Frieden, den sie brauchte. Endlich Namu Amida Butsu.
Sie schloß die Augen und schlief traumlos.
Koiko lag auf angenehme Weise wach. Bald würde es dämmern. Neben ihr schlief Yoshi friedlich. Es war schön, so dazuliegen, sich treiben zu lassen und zu wissen, daß sie nicht einen weiteren unbequemen Tag in der Sänfte aushalten mußte, wo sie wegen der unziemlichen Hast von einer Seite auf die andere geworfen wurde. Und auch, weil ihre Nacht ruhig gewesen war. Yoshi hatte fest geschlafen. Gelegentlich entfuhr ihm ein leiser Schnarchton, doch das störte sie nicht. »Trainiere deine Ohren, Koiko«, hatte die zahnlose pensionierte Kurtisane ihr eingeschärft, damals, als sie noch maiko war. »Du wirst dein Arbeitsleben mit alten Männern zubringen. Alle Männer schnarchen, aber alte Männer schnarchen besonders laut, doch sie zahlen auch besonders gut – die jungen nehmen deine Blumen und schnarchen trotzdem.«
Von allen Männern, mit denen sie geschlafen hatte, war Yoshi im Schlaf der ruhigste. Im Wachzustand war er am schwersten zu dominieren und zufriedenzustellen. Nicht körperlich; körperlich war er stark und geübt, und sosehr sie auch darin trainiert war, bei der Umarmung teilnahmslos zu bleiben, führte er sie doch an den meisten Abenden ebenfalls auf den Gipfelpunkt der Lust.
Katsumata aber war ein Zauberer. Er liebkoste ihre Phantasie und ihre Gedanken und stimulierte sie mehr, als sie es sich je hätte träumen lassen. Er war entzückt, wenn sie eine neue Fertigkeit meisterte – etwa ihre Ohren darin übte, unausgesprochene Worte zu hören: »Dort liegt das goldene Wissen, das, was sich in dem geheimsten Herzen im Inneren des geheimen Herzens befindet. Denk daran, wir alle hier, Männer und Frauen, haben drei Herzen: eines, das alle Welt sehen kann, eines für die Familie, eines allein für uns selbst. Gewisse Männer haben sechs Herzen. Yoshi ist einer von ihnen. Er ist dein Ziel, derjenige, über den du die Oberhand gewinnen mußt.«
Sie kicherte vor sich hin, als sie sich daran erinnerte, daß sie gesagt hatte, Herr Yoshi sei für sie völlig unerreichbar. Katsumata hatte sein typisches Lächeln aufgesetzt und ihr gesagt, sie solle Geduld haben. »Du hast Zeit genug. Du bist achtzehn, es gibt nicht mehr viel, was ich dir beibringen kann. Du mußt anfangen, dich selbst weiterzubringen. Folge wie jede ernsthafte Schülerin dem für alle Schüler wichtigsten Gesetz: Belohne deinen Lehrer dadurch, daß du es dir zur Pflicht machst, ihn zu übertreffen! Sei geduldig, Koiko, zur rechten Zeit werden deine Mama-san und ich dafür sorgen, daß Herr Yoshi dich bemerkt.«
Und das hatten sie getan. Binnen eines Jahres. Die erste Einladung in die Burg vor sechs Monaten und fünf Tagen. Rasendes Herzklopfen und Angst, sie würde versagen, aber keine wirkliche Angst. Sie war vorbereitet und hatte ihre Pflicht gegenüber ihrem Lehrmeister erfüllt.
Aber leite ich Yoshi genügend? Ich weiß, daß er mich und meine Gesellschaft und meinen Geist genießt. Doch wohin soll ich ihn leiten? Katsumata hat das nie gesagt, sondern nur gemeint, es würde sich zeigen. »Sonno-joi faßt es zusammen. Binde Herrn Yoshi an dich. Hilf ihm, sich zu ändern. Nach und nach wirst du ihm helfen, noch mehr auf unsere Seite zu treten. Vergiß nie, er ist kein Feind, im Gegenteil, er ist wichtig für uns, er wird den neuen Bakufu aus loyalen Samurai vorstehen, als taikō – ein Shōgun oder ein Shōgunat wird nicht mehr erforderlich sein –, und unser neuer und ständiger Samurai-Rat wird ihm helfen…«
Ich frage mich, wie es in dem neuen Zeitalter sein wird, wenn wir es noch erleben, dachte sie. Und was ist nun mit Sumomo?
Es war vollkommen unnötig gewesen, sie in ein anderes Zimmer zu schicken – als ob es eine Rolle spielte, wenn sie nebenan war, sie würde ihre Schreie oder ihre heftigen Bewegungen ignorieren. Das war nicht der Grund. Als Yoshi Koiko leise sagte, sie werde die Reise nicht mit ihm fortsetzen, glaubte sie im äußeren Zimmer eine Bewegung zu hören, als sei Sumomo näher gerückt und versuche tatsächlich, ihr Gespräch zu belauschen – ein erstaunliches Eindringen in ihre Intimität, das von schlechten Manieren zeugte.
Nur eine gemeine Wichtigtuerin würde so
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