Noble House 02 - Gai-Jin
von vier Wächtern benutzt; zwei schliefen, zwei taten Dienst. Dort hatte sie ihr Bett aufgeschlagen. Sie hatte lange nicht einschlafen können, da sie aufgewühlt war, denn sie hatte gehört, wie Yoshi zu Koiko gesagt hatte, sie würden die Reise nicht mit ihm fortsetzen, und belauscht, wie Koiko zu Abeh gesagt hatte: »Herr Yoshi hat entschieden, daß meine Reisegesellschaft und ich ab morgen gemächlich folgen sollen.«
»Welche Vorkehrungen möchte er getroffen wissen, Dame?«
»Ich glaube, er sagte, daß Sie und zehn Männer zurückbleiben sollen, um mich nach Edo zu begleiten. Es tut mir leid, ein Problem zu sein.«
»Das ist kein Problem für mich, Dame, solange er sicher ist.«
Sicher und außer Reichweite, hatte Sumomo gedacht, bestürzt über die Änderung des Plans. Zwischen hier und Edo konnte so vieles schiefgehen.
Schließlich war sie eingeschlafen. Und hatte geträumt. Normalerweise träumte sie nicht. Sie pflegte abends als letztes und morgens als erstes immer ein Gebet zu sprechen, Namu Amida Butsu – nur der Name des Buddha Amida –, was ausreichte, wenn es einen Gott gab, zu dem man beten konnte. Gestern nacht hatte sie das vergessen. Jetzt sprach sie im stillen die Worte und schloß die Augen.
Binnen Sekunden war sie wieder in der Shishi-Hütte.
Das war die schlimmste Erfahrung ihres Lebens gewesen, dieser Angriff ohne Vorwarnung, Schüsse durch die Wände, und im selben Augenblick war der Kopf des Jungen neben ihr explodiert; er hatte nicht einmal Zeit gehabt zu schreien, aber andere hatten geschrien teils in Panik, teils in Todesqual, als Kugeln wahllos auf sie geprasselt waren. Katsumata war einen Augenblick wie gelähmt gewesen. Dann hatte er die Verteidigung eingeleitet und befohlen, einige sollten auf der Vorderseite, andere auf der Rückseite ausbrechen. Doch beide Ausfälle waren zurückgeschlagen worden, und sie hatte nicht gewußt, wo sie sich verstecken sollte, hatte nur gewußt, daß alles verloren war. Das Feuer hatte begonnen, mehr Schreie, mehr Blut, das war das Ende, Namu Amida Butsu, Namu Amida Butsu… Dann hatten Hände sie roh gepackt – Takeda hatte wutschäumend einen anderen Mann aus dem Weg gerissen, Katsumata hatte einen weiteren beiseite geworfen –, während ihr Shishi-Retter, dessen Gesicht sie niemals sah, ermordet wurde und ein Feuer ausbrach, das den Fluchtweg versperrte, bis es zu spät war.
Irgendwie war sie aus dieser haßerfüllten Dunkelheit in die frische Luft gelangt. Ihre hektische Flucht hatte kein Ende nehmen wollen, alle hatten nach Luft gerungen, bis Katsumata sie qualvoll zu dieser letzten Zuflucht geführt hatte, Iwakuras Hintertür.
Dort wurde sofort mit den Shishi ein Kriegsrat gehalten. »Ich schlage vor, daß wir uns einstweilen trennen«, hatte Katsumata gesagt. »Im Frühling treffen und sammeln wir uns wieder, im dritten oder vierten Monat. Im Frühling beginnen wir eine neue Angriffswelle.«
»Warum warten?« hatte jemand gefragt.
»Weil wir verraten worden sind, weil es in unserer Mitte oder unter unseren Führern einen Spion gibt. Wir sind verraten worden. Wir müssen uns retten und trennen.«
Und das hatten sie getan. »Sumomo, du wirst zu Koiko gehen…«
Doch vorher war ihre Verwirrung groß gewesen, Weinkrämpfe, Herzrasen; sie war in Panik geraten. »Das wird vergehen, Sumomo«, hatte Katsumata gesagt.
Wieder hatte er recht gehabt. Er hatte ihr ein Mittel gegeben, das sie schlafen ließ und beruhigte. Als sie bei Koiko eintraf, war sie fast wieder wie früher. »Wenn du merkst, daß die Angst wiederkehrt, nimm einen kleinen Schluck von der Medizin«, hatte er gesagt. »In ein oder zwei Wochen bist du wieder ganz bei Kräften. Denk immer daran, daß sonno-joi dich bei Kräften braucht…«
Sie erwachte aus ihrem Traum, und die Angst kam wieder hoch. Noch immer war es dunkel. Ihre Finger tasteten nach dem Bündel neben ihrem Kopf, das die kleine Flasche enthielt. Doch das Bündel war nicht da. Sie hatte es nicht mitgenommen, als sie das Zimmer wechselte. Es macht nichts, dachte sie, ich brauche es nicht, ich kann ohne es auskommen.
Sie wiederholte das mehrmals, warf sich in ihrem Bett herum, und ihre Decken waren feucht und klamm. Dann bemerkte sie, daß der Wächter sie noch immer beobachtete.
»Schlechte Träume, neh?« flüsterte er mit freundlicher Stimme.
Sie nickte schweigend.
»Ich könnte dir gute Träume geben.« Er schlug seine Decke einladend zur Seite. Sie schüttelte den Kopf. Er zuckte die Achseln,
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