Noble House 02 - Gai-Jin
stellen und…
»Sumomo, ist der Tee fertig?«
»Ja, Herrin, ich komme…«
Rasch zog sie den Kimono über ihre Schlaf-Yokata – sie hatte sich bereits in der Frühe gewaschen und sich die Zähne und das Haar gebürstet, das sie noch in einem konventionellen Zopf trug –, band ihren Obi und steckte das Messer in seine Scheide in den Gürtel. Dabei rasten ihre Gedanken: Vielleicht war der Sucher nicht sorgfältig gewesen. Er konnte die Shuriken leicht übersehen haben, wenn er sie nicht erwartete. Vielleicht war er nicht geübt. Koiko? Warum sollte sie jetzt meine Besitztümer durchsuchen? Natürlich war das von den anderen Dienerinnen besorgt worden, als sie in Koikos Haus gekommen war – die Shuriken hatte sie am Leib getragen.
Während sie hektisch nachdachte, stellte sie den Reisschleim warm, bereitete den Tee und trug eine Tasse in die Badestube, wo Koiko sich soeben mit heißem, mit Blütenextrakt parfümiertem Wasser gewaschen hatte. Das Wasser wurde in der Morgendämmerung durch eine kleine Falltür geliefert, damit es nicht die Tatamis bespritzte und keiner der Gäste gestört wurde. Die Behälter für die Nacht wurden auf dieselbe Weise entfernt.
»Ich werde meinen braunen Kimono mit den Karpfen anziehen«, sagte Koiko und trank dankbar von dem Tee; sie hatte eine Gänsehaut von der Kälte, so sehr sie sich auch bemühte, so zu tun, als spüre sie sie nicht, »und den goldfarbenen Obi.«
Sumomo gehorchte eilends, noch immer mit unruhigem Herzen, holte die Kleidungsstücke und half Koiko beim Anziehen.
Als der Obi zu ihrer Zufriedenheit gebunden war, kniete Koiko auf einem der Futons nieder. Sumomo kniete hinter ihr, um ihr das glänzende, taillenlange Haar zu bürsten. »Das ist gut, Sumomo, Sie machen Fortschritte, aber bitte bürsten Sie mit längeren und weicheren Strichen.«
Von draußen die Geräusche der erwachenden Herberge. Dienerinnen und Soldaten und andere riefen einander zu, man hörte Abehs Stimme und dann die von Yoshi. Die beiden Frauen lauschten, konnten aber nicht verstehen, was gesprochen wurde. Die Stimmen entfernten sich.
»Noch zwanzig Striche, dann möchte ich essen und noch eine Tasse Tee trinken. Sind Sie hungrig?«
»Nein, Herrin, danke, ich habe schon gegessen.«
»Haben Sie nicht gut geschlafen?« sagte Koiko, der eine gewisse Nervosität auffiel.
»Nein, Dame Koiko. Es tut mir leid, Ihnen gegenüber meine Probleme zu erwähnen, aber ich habe manchmal Schwierigkeiten einzuschlafen, und wenn ich schlafe, habe ich schlechte Träume«, sagte Sumomo geistesgegenwärtig. »Der Arzt hat mir Medizin zur Beruhigung gegeben. Ich habe gestern abend, als ich das Zimmer wechselte, vergessen, sie mitzunehmen.«
»Ach, ja?« Koiko verbarg ihre Erleichterung. »Vielleicht sollten Sie jetzt etwas davon einnehmen.«
»Ach, das hat Zeit bis…«
»Bitte, ich bestehe darauf. Es ist wichtig, daß Sie ruhig sind.«
Gehorsam und dankbar suchte Sumomo die Flasche. Sie war nicht angerührt worden. Sie nahm einen Schluck und verkorkte sie wieder. Die innere Wärme machte sich fast sofort bemerkbar. »Danke, Herrin«, sagte sie und bürstete dann weiter.
Nach dem heißen Reisschleim, eingelegten Gemüsen, etwas kaltem Aal mit süß-saurer Sauce und Reiskuchen sagte Koiko: »Bitte setzen Sie sich, Sumomo, und gießen Sie sich Tee ein.«
»Danke. Herrin.«
»Herr Yoshi hat entschieden, daß ich ihn nicht mehr begleiten, sondern ihm in einer Sänfte in gemächlicherem Tempo folgen soll.«
»Einige der Wächter erwähnten das, während ich auf Sie wartete. Alles wird bereit sein, wann immer Sie aufbrechen möchten.«
»Gut.« Jetzt, da Koiko die Wahrheit über die Flasche erfahren hatte, fühlte sie sich wesentlich wohler, aber das änderte nichts an ihrer Entschlossenheit, vorsichtig zu sein – ihre Pflicht Katsumata gegenüber hatte sie bereits erfüllt. »Jetzt sind Sie sicher aus Kyōto heraus«, sagte sie leise, und Sumomos Magen verkrampfte sich. Ohne die Medizin wäre sie in Panik geraten. »Es ist Zeit, uns zu trennen, Sumomo. Heute. Haben Sie Geld?«
»Nein, Herrin.« Sumomo wollte sachlich klingen. »Aber wäre es mög…«
»Keine Sorge, ich kann Ihnen etwas geben«, sage Koiko, die das Erröten mißverstand, mit einem Lächeln. Dann fuhr sie energisch fort: »Und Ihre Papiere, sind die in Ordnung?«
»Ja, aber darf ich viel…«
»Es ist für uns beide am besten. Ich habe alle Möglichkeiten bedacht. Es ist am besten, wenn ich allein Weiterreise. Sie können hierbleiben
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