Noble House 02 - Gai-Jin
Initiative.
Er sah Abeh, der mit erhobenem Schwert von hinten auf sie zueilte, und schrie: »Nein! Überlaß sie mir!«
Gehorsam trat Abeh nach hinten. Ein weiteres wildes Gefecht, bei dem Yoshi gerade noch rechtzeitig das Gleichgewicht wiederfand. Sie waren einander ebenbürtig. Yoshi hatte zwar wesentlich mehr Kraft, war aber nicht so durchtrainiert.
Jetzt verkeilten sich ihre Schwerter. Rasch riß sie sich los, da sie wußte, daß er sie aus so kurzem Abstand besiegen würde. Sie trat zurück, machte eine Finte, stieß dann blindlings und blitzschnell zu und traf mit der Klinge seine Schulter. Ein weniger geschickter Kämpfer wäre dadurch außer Gefecht gesetzt worden, aber er hatte den Schlag kommen sehen und nur eine geringfügige Verletzung erlitten. Trotzdem schrie er laut auf, senkte den Arm und tat so, als sei er schwer verwundet. Sorglos drang sie nun auf ihn ein, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Aber er war nicht mehr genau da, wo sie ihn erwartet hatte. Sein Schwert fuhr wild von unten nach oben, überraschte sie, und der Schlag durchtrennte ihr linkes Handgelenk. Die Hand mit dem Schwert, dessen Griff die Finger noch immer umklammerten, flog davon.
Erstaunt starrte sie auf ihren Armstumpf, aus dem ein Strom von Blut sprudelte. Sie hatte keine Schmerzen. Mit der anderen Hand griff sie nach dem Stumpf, um den Blutstrom zu stillen. Wachen stürzten vor und wollten sie ergreifen, aber wieder verscheuchte Yoshi sie zornig. Keuchend rang er nach Luft und beobachtete sie aufmerksam. »Wer sind Sie?«
»Sumomo Fujahito… Shishi«, ächzte sie. Ihr Mut und ihre Stärke verebbten rasch. Mit letzter Kraft wimmerte sie: »Sonno-joiiii.« Dann ließ sie ihr Handgelenk los, tastete nach dem letzten Shuriken, fand es, drückte eine der vergifteten Zacken in ihren Arm und stolperte vorwärts, um es ihm in den Leib zu rammen. Aber er war vorbereitet.
Der mächtige Schlag traf sie genau da, wo der Halsansatz in den Körper überging, durchschnitt ihren Hals und kam unter dem Arm wieder heraus. Die Umstehenden sogen wie ein Mann die Luft ein, überzeugt, einem Geschehen beigewohnt zu haben, das jahrhundertelang von Mund zu Mund gehen würde und bewies, daß dieser Mann ein würdiger Abkömmling des großen Shōgun und Träger seines Namens war. Doch alle waren auch erschüttert beim Anblick von so viel Blut.
Abeh fand als erster die Stimme wieder. »Was ist passiert, Herr?«
»Ich habe gesiegt«, sagte Yoshi grimmig und untersuchte seine Schulter. Blut befleckte seinen Kimono, seine Seite schmerzte, und sein Herz schlug noch immer heftig. »Holt einen Arzt… dann brechen wir auf.«
Eilig rannten Männer davon, um seinem Wunsch zu entsprechen. Abeh riß seine Blicke von Sumomos Leichnam. Koiko stöhnte und wand sich mitleiderregend; ihre Nägel krallten sich in die Tatami und zerfetzten sie. Er ging auf sie zu und hielt inne, als Yoshi sagte: »Achtung, Narr! Sie gehörte mit zur Verschwörung!« Vorsichtig stieß Abeh mit dem Fuß Sumomos Messer beiseite. »Dreht sie um!« Er gehorchte und drehte sie mit dem Fuß um.
Nur sehr wenig Blut war zu sehen. Das Shuriken hatte ihr den Kimono ins Fleisch genagelt, und darin versickerte die Blutung; mehr als die Hälfte des runden Stahls steckte in ihrer Brust. Abgesehen von der Qual, die in Wellen ihr Gesicht verzerrte, war sie so atemberaubend schön wie immer.
Yoshi war von Haß erfüllt.
Nie war er dem Tod so nahe gewesen. Der andere Angriff war nichts gewesen im Vergleich zu diesem. Wie es ihm gelungen war, dem Anschlag und der hinterhältigen Attacke standzuhalten, verstand er nicht. Ein halbes Dutzend Male hatte er gedacht, daß er geschlagen war, und der Schrecken am Rande des Todes war anders, als er ihn sich vorgestellt hatte. Dieser Schrecken würde jeden entmannen, dachte er, und aus Zorn über ihren Verrat wollte er Koiko in Stücke hacken oder sie ihrer Todesqual überlassen.
Ihre Hände krallten sich ohnmächtig in ihre Brust, wo das Zentrum des ungeheuren Schmerzes war, und versuchten, das Ding herauszureißen, das ihn verursachte. Aber sie konnte es nicht. Ein Schauder ließ sie erzittern. Ihre Augen öffneten sich, und sie sah Yoshi dastehen. Ihre Hände ließen ihre Brust los und fuhren zu ihrem Gesicht, versuchten ihr Haar zu glätten, fielen zurück. »Hilf, Tora-chan«, schluchzte sie gurgelnd, »bitte, hilf mir… es tut weh…«
»Wer hat dich geschickt? Und sie? Wer?«
»Hilf mir, o bitte, es tut weh, es tut weh, ich wollte retten…
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