Noble House 02 - Gai-Jin
tot.«
»Ja, Madame.«
»Haben Sie ein Kind oder Kinder?«
»Einen Sohn.«
Die ältere Frau seufzte. »Einen Sohn. Lebt er bei Ihnen?«
»Er lebt bei der Familie seines Vaters.«
»Wie alt ist er?«
»Ein Jahr und drei Monate.«
Meikin hatte Tee bringen lassen, und sie tranken schweigend. Gekko zitterte innerlich und fürchtete, mit der Drohung zu weit gegangen zu sein. Sie war sicher, daß die andere Frau sich fragte, woher die Information gekommen war und wie sie, eine Fremde – das allein war schon gefährlich genug –, dieses Wissen erlangt hatte. Oder ob sie eine Spionin des Shōgunats war. Wenn ich eine Spionin wäre, überlegte Gekko, hätte ich das bestimmt nicht gesagt, nicht beim ersten Gespräch.
Schließlich sagte die andere Frau: »Hier können Sie nicht bleiben, Hinodeh, aber ich habe eine Schwester, die in der nächsten Straße ein feines Haus hat. Es kostet etwas, wenn ich Sie ihr vorstelle.«
»Ich danke im voraus demütig für Ihre Hilfe.«
»Zuerst werden Sie schwören, sich böse Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. Für immer.«
»Ich schwöre es bei meinem Leben.«
»Beim Leben Ihres Sohnes ist besser.«
»Beim Leben meines Sohnes.«
»Zweitens: Sie werden eine vorbildliche Dame unserer Welt sein, ruhig, gehorsam und vertrauenswürdig.«
»Beim Leben meines Sohnes.«
»Drittens… das kann warten, bis wir wissen, ob meine Schwester einwilligt, die Person zu unterstützen, die ich vor mir sehe.«
Der dritte Punkt war eine Sache des Geldes, das zwischen den beiden Mama-sans geteilt werden sollte. Er wurde zur Zufriedenheit geregelt. Sie hatte eine finanzielle Vereinbarung mit ihrer Nachbarin getroffen, die sich um ihren Sohn kümmern sollte. Alle zwei Wochen besuchte sie ihn heimlich, und die Lüge, die sie Meikin gegenüber vorgetragen hatte, war nicht wirklich eine Lüge, da schon feststand, daß er zu den Eltern seines Vaters reisen sollte.
Bald war sie wieder beliebt, aber nicht beliebt genug. Die Zahlungen an Friseur, Masseuse und Schneider verschlangen den größten Teil ihrer Einkünfte. Sie hatte nie genug übrig, um zu sparen. Inzwischen war ihr Sohn bei beiden Mama-sans ein offenes Geheimnis, denn sie hatten sie natürlich beobachtet und waren ihr gefolgt. Sie erwähnten den Sohn ihr gegenüber nie, aber sie verstanden und hatten Mitgefühl. Dann hatte ihre Mama-san eines Tages nach ihr geschickt und ihr von dem Gai-Jin in Yokohama erzählt, der im voraus genug zahlen würde, um das Kind in seine Zukunft zu schicken.
Sie hatte freudig akzeptiert.
Nach der entsetzlichen ersten Nacht hatte sie ihrem Leben ein Ende machen wollen, weil der Mann so bestialisch gewesen war. So sehr sie auch geweint und gebettelt hatte, Raiko hatte es ihr unerbittlich verweigert, denn sie hatte sie vorher gewarnt, dies dürfe sie für mindestens einen Monat nicht tun. Zum Glück hatte sie tagelang Zeit gehabt, sich zu erholen und einen neuen Verteidigungsplan auszudenken. Diese Verteidigung hatte die Bestie, wie sie ihn bei sich nannte, besiegt und ihn zeitweilig verändert. Jetzt war er gehorsam und weinte viel, verlangte Leidenschaft in allen Abartigkeiten, aber unter seinem sanften und freundlichen Benehmen konnte sie die Gewalt noch immer brodeln fühlen, bereit zu explodieren.
In der stillen Umgebung wartete Hinodeh mit angespannten Nerven. In dem Augenblick, in dem er an das Tor zur Straße klopfte, würde ihre maiko ihr das eilends melden. Noch hatte sie Zeit; sie setzte sich also im Lotussitz nieder, um zu meditieren. Bald war sie bereit.
Die Vereinigung mit der Bestie war erträglich. Seltsam, wie anders er ist, dachte sie, anders gebaut als ein zivilisierter Mensch, etwas länger und dicker, aber ohne die Festigkeit und Stärke eines zivilisierten Mannes.
So anders als Shin, der glatt und süß und so stark gewesen war. Seltsamerweise hatte ihr Gatte keine Anzeichen seines Gai-Jin-Vorfahren Anjin-san aufgewiesen, der vor zweihundertfünfzig Jahren für seine zweite Familie in Nagasaki den Namen Komoda angenommen hatte – seine erste Familie lebte in Izu, wo er für seinen Lehnsherrn, den Shōgun Toranaga, Schiffe baute.
Allen Göttern sei Dank für ihn. Seinetwegen wurde schließlich Shin geboren, und zwar als Samurai, und das ist auch unser Sohn.
Sie lächelte glücklich. Ihr Sohn war seit fast drei Wochen auf seiner Reise, und die beiden Dienerinnen waren vertrauenswürdig. In ihrer Obhut befand sich ein Wechsel auf den Namen von Shins Mutter für fast drei Jahre Nahrung
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