Noble House 02 - Gai-Jin
Lohn kaum ernähren – die einzige Arbeit, die er finden konnte, war als Wächter in einem Bordell niedriger Klasse –, aber das spielte keine Rolle.
Nichts spielte eine Rolle. Sie waren zusammen. Sie überlebten. Und Gekko hielt die beiden winzigen Zimmer makellos sauber und machte daraus einen Palast und ein Heiligtum für Shin und das Kind. Sooft sie es ihm auch anbot, er verweigerte es immer wieder: »Niemals! Nie, nie wieder wird irgendein anderer Mann dich kennen, schwöre es!« Und sie schwor es.
Als ihr Sohn ein Jahr alt war, kam Shin bei einer Schlägerei ums Leben. Mit seinem Tod erlosch das Licht in ihr.
Eine Woche später machte die Mama-san des Bordells ihr ein Angebot. Sie dankte ihr, lehnte ab und sagte, sie werde in ihre Heimat zurückkehren. Auf dem Markt kaufte sie eine neue, helle Kerze, eine rote, und als in der Nacht das Kind schlief, zündete sie sie leise an, betrachtete die Flamme und dachte darüber nach, was sie tun sollte. Sie betete zu den Göttern und gelobte, wenn die Flamme erloschen sei, werde sie entscheiden, was für ihren Sohn am besten sei, und bat sie um Hilfe für eine weise Entscheidung.
Die Flamme war erloschen, und die Entscheidung war einfach und richtig: Sie mußte ihren Sohn zu den Eltern seines Vaters zurückschicken. Ihr Sohn mußte allein gehen – sie mußte so tun, als hätten Shin und sie jinsai begangen, gemeinsamen rituellen Selbstmord, um sich bei seinen Eltern für den Schmerz zu entschuldigen, den sie ihnen angetan hatten. Um akzeptiert zu werden, mußte das Kind mindestens Geld für ein Jahr haben, wenn möglich mehr. Es mußte gut gekleidet sein und mit einer zuverlässigen Kinderfrau reisen, was weiteres Geld kostete. Nur auf diese Weise konnte es sein Erbe als Samurai antreten. Außerdem hatte es keinen Sinn, den Schwur gegenüber einem Toten zu halten, wenn die Zukunft ihres Kindes auf dem Spiel stand.
Am Morgen ließ sie ihren Sohn bei einer Nachbarin und ging auf den Diebesmarkt, wo sie mit ihrem letzten Geld den besten Kimono und den besten Sonnenschirm kaufte, den sie finden konnte. Dann, ohne einen Pfennig, ging sie zum besten Friseur in der Nähe der Yoshiwara. Dort verpfändete sie die zukünftigen Einnahmen eines Monats für die beste und modernste Frisur, Massage, Gesichtsbehandlung, Maniküre und Pediküre – und für Informationen. Die Informationen kosteten einen zweiten Monat.
Am selben Nachmittag ging sie durch das Tor der Yoshiwara und geradewegs zur Herberge der ›Glyzinie‹. Die Mama-san war ein Muster aller Mama-sans, die sie kannte: immer perfekt frisiert und gekleidet; immer eine Spur zu korpulent und mit einem Make-up, das maskenhaft wirkte; mit Augen, die zu Kunden so freundlich schauten, aber binnen Sekunden hart wie Granit sein konnten und ihre Mädchen vor Angst zittern ließen; immer großzügig mit dem besten Parfüm besprüht, das sie sich leisten konnte, dessen Duft den durchdringenden Geruch von Saké aber nicht ganz verbergen konnte. Diese Mama-san war eher schlank, und ihr Name war Meikin.
»Tut mir leid, ich nehme keine Damen ohne Papiere oder Geschichte«, sagte die Mama-san. »Wir halten hier die Gesetze genau ein.«
»Ich bin geehrt, das zu hören, Madame, aber ich habe eine Geschichte, und mit Ihrer Hilfe können wir eine andere erfinden, die auch die neugierigsten Bakufu-Beamten zufriedenstellt.«
Meikin lachte, aber ihre Augen lachten nicht. »Welche Ausbildung hatten Sie und wo? Und wie heißen Sie?«
»Mein Name ist Hinodeh.« Und Gekko erzählte ihr von den Geisha-Lehrerinnen und deren Erwartungen, die sie nicht hatte erfüllen können. Dann sprach sie von den Kunden, die sie bisher gehabt hatte.
»Interessant. Aber es tut mir leid, ich habe hier keinen freien Platz, Hinodeh«, sagte die Frau zuckersüß. »Kommen Sie morgen wieder. Ich werde mich erkundigen, vielleicht kann eine Freundin sie nehmen.«
»Verzeihen Sie, aber dürfte ich Sie bitten, es sich noch einmal zu überlegen«, sagte Gekko, weil sie sicher war, morgen unter irgendeinem Vorwand nicht vorgelassen zu werden. »Sie sind die beste und vertrauenswürdigste Mama-san.« Sie biß die Zähne zusammen, betete, daß die Information zutreffend war, und fügte dann zartfühlend hinzu: »Selbst die Shishi wissen das.«
Alle Farbe wich aus dem Gesicht der Mama-san, obwohl ihr Ausdruck sich nicht veränderte. »Sie und Ihr Liebhaber sind durchgebrannt, und nun hat er Sie verlassen?« fragte sie ruhig.
»Nein, Madame.«
»Dann ist er
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