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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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von seiner Medizin, eine kleine Schachtel.
    Vor einer Woche hatte Malcolm ihr das Geheimfach gezeigt und gelächelt. »Noch gibt es nicht viel zu verstecken, alle wichtigen Sachen sind bei Mutter in Hongkong, Papiere über die Stellung des Tai-Pan, eine Abschrift von Vaters Testament, Mutters Testament und so weiter, der Stempel des Tai-Pan. Das hier«, hatte er achselzuckend und mit leuchtenden Augen gesagt, »ist für Kleinkram und Geschenke, die ich dir vielleicht machen werde…«
    Sie öffnete die Schachtel. Ein goldener Ring, mit Rubinen besetzt. Nicht sehr wertvoll, aber wertvoll genug. Die Papiere waren Geschäftspapiere, die sie nicht verstand, Listen von Zahlen.
    Aber kein Testament. Merde, dachte sie ohne Zorn. Es hätte die Zukunft einfacher gemacht. Darauf hatte André sie hingewiesen.
    Er war auf ihren Wunsch hin heute morgen von Vargas aus der Liste der Personen, die vorgesprochen und Karten hinterlassen hatten, ausgewählt und ins Haus gebeten worden. »M’sieur Vargas, zuerst mein Schneider, ich muß dringend Trauerkleider haben, danach M’sieur André, dann Mr. Skye – unnötig, Mr. McFay zu stören, bis ich nach ihm schicke. Für alle anderen ruhe ich, und, M’sieur«, hatte sie vorsichtig hinzugefügt, »bitte, behandeln Sie all das mit der Diskretion, die mein Mann an Ihnen rühmte. Ich werde alle im Büro des Tai-Pan empfangen.«
    Bei dem Wort ›Tai-Pan‹ hatte sie ein Flackern in Vargas’ Augen gesehen, aber er hatte nichts gesagt, also hatte sie keine Entschlossenheit zeigen müssen. Sie hatte das Büro mit Bedacht gewählt, und als der alter Schneider mit Vargas eintraf, sagte sie: »Bitte, fragen Sie, wie lange es dauern wird, ein Trauerkleid anzufertigen, wie dieses hier, nur in schwarz.« Das Kleid, das sie trug, war langärmlig, hochgeschlossen und dunkelblau.
    »Drei Tage«, sagte er. »Trauer, Senhora? In China ist die Farbe der Trauer Weiß.«
    »Ich möchte es in Schwarz. Aus Seide. Und morgen.«
    »Drei Tage.«
    »Wenn er mein anderes Kleid nimmt, das blaßblaue, das er für mich angefertigt hat, und es schwarz färbt – wie lange dauert das?«
    »Zwei Tage«, sagt er.
    »Sagen Sie ihm, daß die Witwe des Tai-Pan vom Noble House morgen ein solches schwarzes Kleid haben muß. Morgen früh.«
    Der alte Chinese hatte geseufzt und sich verneigt und war gegangen. Dann meldete Vargas André Poncin. »Hallo, André.«
    »Hallo. Ich habe Sie nie schöner gesehen.«
    Das war eine Feststellung, kein Kompliment. »Ich brauche Rat. Wir müssen sehr schnell und sehr klug sein. Meine Trauung ist legal, nicht wahr?«
    »Wir glauben schon, ja, nach britischem Seerecht; was das französische Recht betrifft, sind wir nicht ganz sicher. Beides sind Grauzonen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Strittig. Wenn es einen Streit zwischen französischen und britischen Anwälten gäbe, wäre das britische Recht vorrangig. Da er tatsächlich minderjährig war, Sie beide minderjährig waren, aber, pardon, er ist derjenige, der zählt, und da er den schriftlichen Anweisungen seines gesetzlichen Vormunds zuwidergehandelt hat, wird die Eheschließung wahrscheinlich angefochten werden.«
    »Wo? Hier? Von wem?«
    »Von Tess Struan, von wem sonst?« sagte er spöttisch.
    »Malcolms Tod berührt Sie gar nicht, oder?«
    »Im Gegenteil, er hat mein Leben unendlich kompliziert, Madame«, fügte er hinzu und benutzte zum erstenmal ihren Titel. »Das ist eine ernsthafte Komplikation für uns beide.«
    »Wie kann man diese Komplikationen beseitigen, André?«
    »Die erste Komplikation haben Sie bereits beseitigt.«
    Als sie in ihrer Not in die Gesandtschaft geflohen war, hatte er sie dort abgefangen und beinahe mit Gewalt in sein Büro geschleppt. Dort hatte er sie, sobald die Tür geschlossen war, wütend geschüttelt und gesagt: »Sie dumme Person, sind Sie verrückt? Gehen Sie zurück in sein Haus, bleiben Sie da, und rühren Sie sich nicht vom Fleck, Sie können sich hier nicht verstecken, oder Sie ruinieren sich selbst! Gehen Sie dahin zurück, Sie Närrin, wir reden später, und unterschreiben Sie um Gottes willen nichts, willigen Sie in nichts ein. Los, gehen Sie schon!«
    »Sie hatten ganz recht, André«, sagte sie jetzt; sie nahm ihm seinen Zorn nicht übel, da sie genau verstand. »Danke, daß Sie es mir so gesagt haben, daß ich es trotz all meiner Qual begriffen habe. Das war das erste. Und weiter?«
    Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. Dies hier war eine neue Angélique, völlig unerwarteterweise.

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