Noble House 02 - Gai-Jin
Stempel, Malcolms Stempel.
Sie legte alles zurück und schloß das Geheimfach.
Zufrieden mit den Fortschritten, die sie am ersten Tag ihres neuen Lebens gemacht hatte, schloß sie die Augen und schlief traumlos, bis ein Klopfen an der Tür sie weckte. Es war beinahe halb fünf. »Wer ist da?«
»Jamie, Angélique.«
Ihr Herz fing an zu pochen. Sei ruhig, ermahnte sie sich selbst, während sie die Tür entriegelte, das Eis, das du überquerst, ist extrem dünn und das Wasser darunter tödlich.
»Hallo, lieber Jamie, bitte, kommen Sie herein.« Wieder setzte sie sich in den Lehnstuhl ihres Mannes und winkte ihn zu dem Sessel, den sie selbst immer benutzt hatte. Die Veränderung gefiel ihr. »Sie sehen so gequält aus, so traurig.«
»Ich kann mich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen, Angélique, und an… nun ja, an all die Veränderungen.«
»Ja. Es ist sehr schwer.«
»Sie haben sich auch verändert. Darf… darf ich sagen, wie großartig Sie sind, so stark und… nun ja, Sie wissen schon.«
»Das ist das Problem, mein lieber Jamie, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, was passiert ist, und kann es akzeptieren, habe es akzeptiert. Meine Tränen… ich glaube, ich habe alle Tränen meines Lebens vergossen. Im Augenblick also keine Tränen. Haben Sie Sir William gesehen?«
»Ja. Skye sagte, er würde gegen sechs zurückkommen, wenn Ihnen das recht ist.« Er sah sie abwesend nicken.
»Sie mögen ihn nicht, Jamie, nicht wahr?«
»Ich mag überhaupt keine Anwälte, sie bedeuten immer Ärger, wenn er auch kein schlechter Mann ist. Ich denke, für Sie ist er in Ordnung. Wenn Sie sich Sorgen machen, sagen Sie es mir sofort. Mal… Malcolm mochte ihn, und Sie sollten jemanden haben, der Sie vertritt.«
»Mir fällt es auch schwer, seinen Namen auszusprechen, Jamie. ›Ehemann‹ ist genauso schwer. Noch schwerer. Seien Sie nicht verlegen.«
Jamie nickte traurig und nahm die Briefe aus seiner Tasche. »Sir William sagte, die hier gehörten ebenso zu seinem Vermögen wie das Geld. Er wußte nicht genau über die gesetzlichen Vorschriften Bescheid – er wollte mit Eilpost an den Zweiten Kronanwalt in Hongkong schreiben –, aber er sah keinen Grund, warum Sie diese Briefe nicht bekommen sollten, vorausgesetzt, Sie versprechen, sie nicht zu vernichten. Was die Souvereigns betrifft, so sollen Sie sie behalten – ich habe ihm gesagt, ich glaubte nicht, daß Sie derzeit eigenes Geld hätten –, aber er bittet darum, daß Sie sie ihm quittieren.«
»Was immer er möchte. Hat er die Briefe gelesen?«
»Nein, keiner hat sie gelesen.« Zögernd legte er sie auf den Kaminsims. »Es gibt ein paar andere Dinge, wir haben einige Vereinbarungen getroffen – möchten Sie, daß ich Ihnen jetzt davon berichte, oder… ich kann ohne weiteres später wiederkommen.«
»Nein, es geht mir gut. Was für Vereinbarungen, Jamie?«
Er atmete tief ein. Er haßte es, ihr all dies sagen zu müssen, aber es war seine Pflicht. »Nach einer Beratung zwischen Sir William, Babcott und Hoag haben wir vereinbart, den Leichnam morgen zur Bestattung nach Hongkong zurückzuschicken. Wir waren alle zusammen der Meinung, das sei am besten. Man tut alles und wird alles tun, um Ihnen das zu erleichtern und die Reise so erträglich wie möglich zu gestalten. Dr. Hoag wird Sie begleiten, um dafür zu sorgen, daß Sie in guten Händen sind.« Jamies Lächeln war leer, und sein Gesicht spiegelte wider, wie unglücklich er sich fühlte. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Ah Soh kann rechtzeitig für Sie packen, Chen wird helfen, wenn es notwendig ist, und alles herrichten, was noch auf dem Schiff mitgenommen werden soll. Es wird mit der Abendflut auslaufen. Wenn Sie bis dahin etwas brauchen, so sagen Sie es mir.«
Er sah, wie sie auf ihre Hände niederschaute. Ihre Finger spielten mit Malcolms Siegelring, den sie am Ringfinger trug. Arme Angélique, hat nicht einmal einen richtigen Ehering.
»Tja, das ist für den Augenblick alles – möchten Sie heute abend beim Dinner Gesellschaft?«
»Danke, nein, ich werde hier essen oder im Speisezimmer, oder in meinen Räumen. Aber bitte, setzen Sie sich. Es tut mir leid, aber das ist für den Augenblick nicht alles. Mein Mann wird nicht zur Bestattung nach Hongkong zurückgebracht werden. Er wird hier bestattet. Weder mein Mann noch ich werden je wieder an Bord der Prancing Cloud gehen.«
Sie sah seinen Blick, aber das lenkte sie nicht von dem ab, was sie heute morgen
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