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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Zweimal vorher hatte er solche Veränderungen an Männern gesehen, aber nie an Frauen. Beide waren feindliche Spione gewesen, nach extremen Folterungen entlassen. Die Ärzte hatten keine andere Erklärung dafür, als daß die Männer keine Angst mehr hätten, weder vor weiteren Folterungen noch vor dem Tod. Sie waren bis an den Rand gezerrt worden und hatten überlebt, und jetzt waren sie überzeugt, zu überleben, was immer man ihnen auch antun mochte, oder zu sterben, und es spielte keine Rolle, was eintraf. Die Ärzte hatten gesagt, der Tod selbst spiele keine Rolle mehr bis zu dem Tag, an dem der Schrecken wieder sein häßliches Haupt erhob.
    Die arme Angélique sitzt dort so zuversichtlich, aber es wird ein Tag kommen, an dem alles herausströmt und dich zerreißt. Wirst du damit fertig werden oder im Irrenhaus enden?
    Er selbst hätte gedacht, daß so viele Schicksalsschläge ein so junges Mädchen brechen würden; die Flucht ihres Vaters, der Diebstahl ihrer Mitgift, Vergewaltigung und Schwangerschaft, der Tod des Vergewaltigers und nun dieser neue, gräßliche Tod, den er und die ganze Niederlassung in den bildhaftesten Einzelheiten kannten. Er und Seratard hatten erwartet, das werde für Monate ihren Geist verwirren, und rechneten noch immer damit; keiner von ihnen hatte Hoag geglaubt, den sie eingehend ins Kreuzverhör genommen hatten. Wenn Hoag ein solches Wunder wirken kann, dachte er wütend, warum können die Ärzte dann die gottverdammte Englische Krankheit nicht heilen? Das ist nicht fair. »Das Leben ist nicht fair, nicht?«
    »Nein«, sagte sie, »ganz und gar nicht.«
    »Hat er ein Testament hinterlassen, in dem er Sie als seine Erbin einsetzt?«
    »Ich weiß es nicht, Malcolm hat nie eins erwähnt.«
    »Angélique, in Zukunft sprechen Sie von ihm als Ihrem Mann und von sich selbst als seiner Witwe.«
    »Warum?«
    »Um Ihren Anspruch auf sein Vermögen klarzustellen und zu betonen.« Er sah, wie sie bei sich nickte, und staunte über ihre Beherrschung.
    »Macht es einen Unterschied, wenn es kein Testament gibt?«
    »Das versuchen wir herauszufinden. Es wäre am besten, wenn es eins gäbe, in dem Sie benannt sind. Das wäre am besten. Zweitens: Sie müssen mit ihm – mit seinen sterblichen Überresten nach Hongkong zurückkehren. Seien Sie darauf vorbereitet, daß seine Mutter Ihnen feindselig gegenüberstehen wird – in der Öffentlichkeit sollten Sie versuchen, ihre Freundin zu sein. Sie sollten an der Beerdigung teilnehmen, natürlich korrekt gekleidet.« Dann fügte er hinzu: »Vielleicht könnte Henri Ihnen einen Brief an den Botschafter mitgeben.«
    »Welche Art von Brief könnte er für mich schreiben?«
    »Wenn man Henri dazu überreden könnte, könnten Sie, seiner dringenden Empfehlung folgend, als Mündel des Staates Geroires Schutz unterstellt werden. Ich bin überzeugt, daß Sie rechtmäßig die Witwe des verstorbenen Tai-Pan Malcolm Struan sind. Wenn Henri uns unterstützt, könnte das möglicherweise eine Staatsangelegenheit werden.«
    »Ich brauche also offizielle Unterstützung?«
    »Da bin ich mir ganz sicher. Henri dagegen nicht.«
    Sie seufzte. Zu diesem Schluß war sie ebenfalls gekommen. Aber eine Staatsangelegenheit? Das war ein neuer Gedanke, eine Möglichkeit, an die sie nicht gedacht hatte. Eine Staatsangelegenheit würde bedeuten, daß sie unter dem Schutz Frankreichs stand. Das war jeden Preis wert – nein, nicht jeden. »Was könnte ich wohl tun, um Henri zu überzeugen?«
    »Das könnte ich für Sie machen«, sagte er. »Ich würde es versuchen.«
    »Dann fangen Sie bitte sofort damit an. Sagen Sie mir heute abend, was ich dafür tun könnte. Würde es Ihnen zum Dîner passen oder morgen früh? Ganz, wie Sie wollen.«
    Mehr mußte nicht besprochen werden. André hatte ihr gesagt, morgen wäre es besser, und war gegangen. Ehe ihr nächster Gast eintraf, Skye, hatte sie sich im Lehnstuhl zurückgelehnt, zur Decke gelächelt und sich gefragt, was wohl der Preis sein mochte. Mündel des französischen Staates? Das hatte ihr gefallen, denn sie wußte, sie würde jede Hilfe brauchen, die sie bekommen konnte, um das Ungeheuer von Hongkong zu bekämpfen…
    Jetzt, in Malcolms anderem Sessel in der Tai-Pan-Suite im Obergeschoß zusammengerollt, die Tür von innen verriegelt, gefiel ihr der Gedanke noch besser, und wieder dachte sie über den Preis nach. Es wird teuer sein. Die geheimen Goldmünzen werden für den Anfang genügen, dann der Rubinring, und jetzt habe ich einen

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