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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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May-May, in internationalen Gewässern vor Hongkong.« Sie fühlte sich den Tränen nahe. Nicht weinen, befahl sie sich, noch nicht. »Er wurde auf See bestattet. Es gab einen christlichen Gottesdienst, korrekt abgehalten, wie er es gewünscht hatte, und die Zeugen waren Culum und Tess Struan, Gordon Chen und Aristoteles Quance.«
    »Das ist unmöglich«, sagte Jamie.
    »Es ist so, wie ich es sage. Die Kirche verweigerte den beiden, zusammen begraben zu werden, sie verweigerte ihnen ein christliches Begräbnis in geweihter Erde in Happy Valley.«
    »Aber, Angélique, ich habe die Beerdigung gesehen. Er wurde dort begraben. Ich weiß nicht, wo man May-May beerdigt hat, aber ich stimme Ihnen zu, sie war nicht bei ihm.«
    »Sie haben eine Täuschung gesehen, Jamie, der Sarg war leer.«
    »Das ist Unsinn«, sagte Sir William.
    »Die Kirche war gegen ein gemeinsames Begräbnis«, sagte Angélique, als hätte er nichts gesagt. »Die Kirche und die Behörden waren aus vielen Gründen über Dirk Struan empört, wie Sie nur zu gut wissen, Sir William, aber dieser Gedanke war nun zuviel für sie. In seinem Letzten Willen, dem Teil des Testaments, das von Tai-Pan zu Tai-Pan weitergegeben wird, hatte er zwei Wochen vor seinem Tod geschrieben, wenn er und May-May zusammen sterben würden, sollten sie zusammen bestattet werden, er habe die Absicht, sie zu heiraten, und…«
    »Das hat er tatsächlich geschrieben? Er wollte sie heiraten?« sagte Sir William. Die anderen waren genauso schockiert, denn selbst heute war die Ehe mit einer Chinesin unvorstellbar – die Ächtung wäre gewiß, selbst für einen Dirk Struan. »Das hat er tatsächlich geschrieben?«
    »Ja«, sagte sie und fragte sich, warum nur Hoag Sir Williams Verblüffung nicht teilte.
    Die Briten sind in vieler Hinsicht gräßliche Leute, dachte sie. So heuchlerisch, bigott und unzivilisiert. Ihr war nur zu bewußt, wie stark sie Ehen zwischen Protestanten und Katholiken ablehnten, ganz zu schweigen von Mischehen mit Menschen aus ihrem Empire.
    Warum betrachtet ihr Mischehen als schändliche Sünde, hätte sie am liebsten geschrien, während ihr ganz offen einheimische Geliebte habt! So eine Heuchelei! In unseren französischen Kolonien oder unserem Reich war das niemals so. Wenn ein Franzose eine einheimische Frau heiratet, ist sie nicht nur seine Gattin, sondern auch Französin, und sie genießt den vollen Schutz der französischen Gesetze. Richtigerweise fördern wir solche Mischehen sogar. Ein Mann ist ein Mann, und eine Frau ist eine Frau, von welcher Hautfarbe auch immer, aber für euch ist das nicht so. Gott bewahre mich davor, Engländerin zu werden, Gott sei Dank kann ich meine französische Staatsbürgerschaft niemals aufgeben, wen auch immer ich heirate…
    Was sage ich da, dachte sie und gab sich einen Ruck. Für solche luxuriösen Träumereien war noch Zeit genug.
    »Ich finde einige der britischen Auffassungen schwer verständlich, Sir William, etwa die von der Mischehe, aber ich bin ja auch Französin. Aber zurück zur Beerdigung von Malcolms Großvater: Die anglikanische Kirche war empört und wollte einer gemeinsamen Bestattung nicht zustimmen. Der neue Tai-Pan, sein Sohn Culum, bestand aber darauf – alles andere als eine angemessene christliche Beerdigung für Dirk Struan war undenkbar, für Culum mehr als für Tess, die sehr verstört war über Dirks Wünsche und seine Verachtung der Konventionen, die das Fundament all ihrer Überzeugungen waren. Ihr Vater, Tyler Brock, jetzt der mächtigste Händler auf der Insel, war strikt gegen eine Beerdigung. Tess’ Mutter ebenfalls, und in der Öffentlichkeit waren auch die meisten anderen Händler dagegen, was immer sie privat auch empfanden. Auch der Gouverneur unterstützte die Kirche.«
    »Ganz recht«, murmelte Sir William.
    »So bedrohte der Skandal die Kolonie, und das, als Hongkong nach dem Taifun in Trümmern lag – und es kein Eis gab«, fügte Angélique knapp hinzu.
    Alle rutschten auf ihren Stühlen herum, nur Skye nicht, der mit demselben leichten Lächeln bequem dasaß.
    »Um einen Weg aus dieser verfahrenen Situation zu finden«, fuhr Angélique in sachlichem Ton fort, »wurde damals ein Kompromiß geschlossen. Er wurde von Aristoteles Quance und Gordon Chen arrangiert, und zwar mündlich, nicht schriftlich. In aller Stille – eigentlich sollte man heimlich sagen, denn so war es – wurden die Leichen an Bord der China Cloud gebracht. Die Zeremonie der Kirche von England wurde von einem

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