Noble House 02 - Gai-Jin
Das genügte ihm. Der Rest würde bald genug kommen, etwa, warum vernünftige Leute an einem Tag in See stechen wollten, an dem vernünftige Seefahrer sich an Land am wohlsten fühlten.
»Schauen Sie, da ist er!« sagte Skye und fluchte, ohne es zu merken.
Jamie kam allein die High Street entlanggelaufen. Passanten grüßten ihn, runzelten die Stirn und kümmerten sich dann wieder um ihre eigenen Angelegenheiten. Jamie sprang an Bord und schloß die Kajütentür. »Tweet hat es sich anders überlegt«, sagte er. Seine Brust bewegte sich ebenso heftig wie das Deck.
»Gott verdamme den Kerl. Warum – er hatte doch zugestimmt?« Skye schnaubte angewidert. Jamie und er hatten entschieden, am besten solle man erzählen, daß ein christlicher Fischer in Kanagawa gestorben war, der um eine Bestattung auf See gebeten hatte, und ob Tweet wohl den Gottesdienst abhalten würde? Alles andere würde später kommen, und Tweet würde für seine Mühe entschädigt werden.
»Nicht bei diesem Wetter, hat er gesagt.« Jamie keuchte vor Anstrengung und Enttäuschung. »Ich habe alles versucht, ihn zu überreden, aber er hat nur gesagt: ›Der Bursche ist tot, morgen oder übermorgen ist genauso gut, das Wetter ist riskant, wir kämen vermutlich nicht vor Dunkelheit zurück – ich hatte Lunkchurchs Dinnereinladung vergessen. Morgen nach dem Gottesdienst, noch besser wäre Montag.‹ Verfluchter Idiot!« Er atmete ein. »Verfluchter Idiot, nachdem er schon zugestimmt hatte!«
Angélique war übel vor Enttäuschung. »Pater Leo! Ich werde gehen und ihn fragen. Er wird es tun.«
»Dazu ist keine Zeit, nicht jetzt, Angélique, und außerdem war Malcolm kein Katholik, das wäre nicht richtig. Es gibt…«
»Verdammter Tweet«, sagte Hoag wütend. »Wir müssen die Sache verschieben. Vielleicht macht das nichts, das Meer ist ohnehin nicht gut. Vielleicht sollten wir es morgen versuchen?« Alle sahen Angélique an.
»Das geht nicht«, sagte Jamie an ihrer Stelle. »Auf Tweet kann man sich nicht verlassen, vielleicht will er es bis Montag aufschieben – auf jeden Fall haben wir das Problem mit dem Postdampfer, er wird nicht länger warten als bis Mittag.«
Er hatte den Kapitän um Aufschub gebeten, aber da das Schiff ohnehin verspätet war, hatte der Mann gesagt, mehr könne er nicht tun.
»Wir sollten unbedingt an Bord gehen«, meinte Hoag, »das steht außer Zweifel. Angélique sollte unbedingt der Beerdigung in Hongkong beiwohnen.«
»Ich bin dagegen«, sagte Skye. »Aber wenn sie geht, dann gehe ich auch.«
»Pater Leo«, beharrte Angélique. »Ich werde ihn fragen.«
Jamie sagte: »Das wäre unpassend. Hören Sie, es gibt eine Lösung, Angélique. Für eine Seebestattung braucht man nicht unbedingt einen Geistlichen, der Schiffskapitän kann sie genauso vornehmen, so wie Marlowe Sie getrau…«
Angéliques Hoffnung stieg wieder an. »Wir fragen John! Schnell, lassen Sie uns…«
»Unmöglich, ich habe mich bereits erkundigt, er ist an Bord des Flaggschiffs und hat mit Ketterer zu tun.« Hastig fuhr Jamie fort: »Angélique, ich bin Kapitän dieses Schiffes, ich habe ein Kapitänspatent, wenn auch ein altes, ich habe genügend Seebestattungen erlebt, um zu wissen, was zu tun ist. Ich habe es noch nie zuvor getan, aber das spielt keine Rolle. Wir haben Zeugen. Wenn Sie möchten, kann ich die Bestattung vornehmen… sie wäre legal.« Er sah ihre Verwirrung und schaute Skye an. »Das ist doch richtig, oder?«
Skye nickte und zuckte nervös zusammen, als eine ungewöhnlich hohe Welle gegen die Flanke des Schiffes schlug. Auch Hoag war mulmig zumute.
Jamie atmete noch einmal tief ein. »Angélique, diese ganze Idee, diese ganze Bestattung ist bizarr, um es milde auszudrücken, und ein bißchen mehr davon wird Malcolm auch nicht mehr schaden. Ich habe eine Bibel und die seerechtlichen Vorschriften mitgebracht, deshalb bin ich zu spät gekommen. Was meinen Sie?«
Statt einer Antwort legte sie ihm die Arme um den Hals, und Tränen rannen über ihre Wangen. »Fangen wir an. Bitte, Jamie, schnell.«
Jamie McFay hielt sie umfaßt und fand die Nähe angenehm.
»Was ist mit dem Bootsmann und dem Heizer?« fragte Skye.
Unwirsch erwiderte Jamie: »Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich mich um sie kümmern werde.« Sanft löste er sich von Angélique und schob die Tür auf. »Bootsmann!« rief er. »Legen Sie ab! Nehmen Sie Kurs auf Kanagawa.«
»Aye aye, Sir.« Froh, daß eine Entscheidung getroffen worden war, steuerte Tinker das
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