Noble House 02 - Gai-Jin
Sohn schwanger sind, wird dies den Lauf der Gerechtigkeit nicht ändern und auch nicht verhindern, daß das Kind für unehelich erklärt wird.
Ich kann Ihnen nicht genug für die unendlich wertvolle Information danken, die ich auf Ihre Anregung hin von einem gemeinsamen Bekannten erhielt.
Wenn sich, wie ich es für wahrscheinlich halte, dieses Material als zutreffend erweist, werden ich und das Noble House unendlich in Ihrer und in der Schuld dieser Person stehen. Daß der Betreffende einen Preis genannt hat, der angesichts des Wertes der Information vernünftig ist, ist nicht Ihre Sache. Sie haben keinen Preis verlangt und werden keinen erhalten. Aber Ihr Geschenk zum Gedenken an meinen Sohn und für die Zukunft von Struan’s verdient es, berücksichtigt zu werden.
Welchen Ausweg gibt es aus dieser Sackgasse?
Die Lösung, wenn es denn eine gibt, muß vertraulich zwischen uns als Gegnerinnen – was wir immer sein werden – und als Frauen gefunden werden.
Erstens bitte ich Sie, mit Dr. Hoag zusammenzuarbeiten, ihm zu gestatten, Sie zum entsprechenden Zeitpunkt zu untersuchen, damit er feststellt, ob Sie ein Kind erwarten oder nicht. Natürlich kann Dr. Babcott oder jeder andere Arzt Ihrer Wahl zugezogen werden, um die Diagnose zu bestätigen.
Zweitens: Warten wir zur Sicherheit den zweiten Monat ab, dann können wir etwas unternehmen. Bis dahin wird der juristische Schriftsatz vollständig sein und dem Gericht vorgelegt werden können – das ist nicht als Drohung gemeint, sondern eine Tatsache. Bis dahin wird auch das Beweismaterial Ihres Bekannten teilweise zu Aktionen geführt haben. Daß Sie ihn überredet haben, mich aufzusuchen, ist mir und dem Noble House, wie ich oben schon sagte, eine Verpflichtung Ihnen gegenüber.
Vielleicht wird mit Gottes Hilfe bis dahin ein Ausweg aus der Sackgasse gefunden sein.
Tess Struan, Hongkong, 50. Dezember 1862.
Angélique schwankte zwischen Jubel und Entsetzen, Sieg und Niederlage. Hatte sie nun gewonnen oder verloren? Tess Struan versprach nichts, aber hatte sie nicht mit dem Ölzweig gewinkt? Juristischer Schriftsatz? Gericht? Zeugenstand? Sie wurde aschfahl, als sie sich jetzt an Skyes Aussage erinnerte, wie leicht es für die gegnerische Seite sein würde, sie als mittellose Dirne und Tochter eines Schurken hinzustellen und andere schrecklich verzerrte Wahrheiten aufzutischen. ›Sackgasse‹ und ›Ausweg‹? Bedeutete das nicht, daß sie gesiegt hatte, zumindest teilweise?
Edward! Heute abend oder morgen wird Edward es mir sagen! Und Mr. Skye, er ist schlau, er wird es wissen, heilige Mutter Gottes, ich hoffe, daß er es wissen wird.
Sie blickte auf und sah, daß Hoag sie beobachtete. »Oh! Tut mir leid, ich hatte vergessen…« Verlegen zupfte sie am Stoff ihres Ärmels herum. »Oh, möchten Sie einen Drink, ich kann nach Ah Soh läuten, ich… Verzeihung… anscheinend habe ich nicht…« Es fiel ihr schwer, die Worte zu formulieren, und er hörte die Veränderung und fragte sich, ob dies der Anfang des Zusammenbruchs war, den er vorhergesagt hatte. Die Anzeichen waren da, die Hände bewegten sich unkontrolliert, ihr Gesicht war weiß, die Augen geweitet, die Pupillen verändert.
»Was hat sie geschrieben?« fragte er beiläufig.
»Ich… nein, nichts, nur, daß ich warten soll, bis…« Sie verstummte, und ihr Blick richtete sich in die Ferne.
»Bis?« fragte er, um sie zurückzuholen, und verbarg seine Sorge.
Doch sie war versunken in das, was sie gelesen hatte. Die Fronten waren also geklärt. Ihre Feindin hatte den ersten Schritt getan und sich erklärt. Nun konnte sie in den Kampf ziehen. Zu ihren eigenen Bedingungen. Ihre Übelkeit verging. An ihre Stelle trat Feuer. Der Gedanke an den Brief ließ sie vor Zorn kochen – kein einziges Wort der Sorge um sie, nicht das geringste Anerkennen der Qualen und des Schmerzes über Malcolms Tod, nichts. Nichts. Und am schlimmsten von allem das Wort ›unehelich‹, wo sie doch nach britischem Gesetz rechtmäßig verheiratet gewesen waren… wie man mir versichert!
Keine Angst, dachte sie wutschäumend, das ist für alle Zeit in mein Gedächtnis gebrannt. Zitternd sah sie Hoag an. »Sie sagt, daß sie warten will, bis wir, Sie und ich, wissen, ob ich ein Kind von Malcolm erwarte oder nicht. Sie will sichergehen.«
»Und dann?«
»Das sagt sie nicht. Sie… sie will warten, und ich soll warten… Ich glaube, sie sagt, daß es vielleicht einen Frieden geben kann, einen Ausw…« Das Zittern hörte auf, als
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