Noble House 02 - Gai-Jin
Frisur für heute abend waren schon früher beschlossen worden – speziell für Tess und diese Gesellschaft ausgewählt, die ihr erstes Schlachtfeld hätte sein sollen. Obwohl ihre Feindin nicht erschienen war, hatte sie sich entschieden, ihren Plan nicht zu ändern, denn die Wirkung war höchst erfreulich. Sie hatte erwogen, den kaiserlichen Jadering zu tragen, den Malcolm in Hongkong bestellt hatte und der mit dem Postschiff eine Woche nach seinem Tod geliefert worden war. Eine weitere Flut von Tränen, schließlich entschlossen abgewischt. Wenn Tess dagewesen wäre, hätte sie nicht gezögert, den Ring zu tragen. Ohne Tess gab es keinen Grund.
Eigentlich bin ich froh, daß sie nicht hier ist, sagte sich Angélique. Gott sei Dank hat Vargas mich gewarnt. Ich brauche mehr Zeit, um mich auf diese Herausforderung von Angesicht zu Angesicht vorzubereiten – ach, Zeit! Bin ich nun von Malcolm schwanger oder nicht… »Guten Abend, Graf Sergejew«, sagte sie mit ihrem sanften Lächeln. »Danke für die Einladung.«
»Herzlich willkommen, Sie haben den Abend schon jetzt zum Erfolg gemacht. Abend, Sir William. Sie beide kennen alle, bis auf einen neuen Gast.« In einer plötzlichen Stille, in der jedermann beobachtete und verglich, winkte Sergejew Maureen aus dem Kreis ihrer Bewunderer, zu denen sich jetzt auch Marlowe gesellt hatte. »Miß Maureen Ross aus Edinburgh, Jamies Verlobte. Madame Angélique Struan.«
Angélique hatte Maureen in dem Augenblick gesehen, als sie hereingekommen war, sie auf der Stelle taxiert und entschieden, daß sie keine Bedrohung war. Im Vorübergehen hatte sie Gornt bemerkt, aber den hob sie sich für später auf. »Willkommen auf dem entlegensten britischen Außenposten der Welt, M’selle Ross«, sagte sie liebenswürdig, während sie bei sich dachte: Ja, bei Nacht könnte man sie leicht für diese Frau halten – dieselbe imposante Haltung, derselbe direkte Blick.
»Danke.« In dem Moment, da Angélique den Raum betrat, hatte auch Maureen sie abgeschätzt, ihre Schönheit anerkannt und sie zwar instinktiv gemocht, aber dennoch sofort entschieden, daß sie eine Bedrohung war – ihre Augen waren zu Jamie gewandert und hatten bei ihm und den Männern ringsum offene Bewunderung erkannt. Das allgemeine anerkennende Stimmengesumm war nicht zu überhören. Die anderen sind mir egal, hatte sie gedacht, bereit zum Kampf, aber nicht mein Mann.
»Ich freue mich so, Sie kennenzulernen, und habe von Ihrer Tragödie in Hongkong gehört. Es tut mir so… es tut allen so leid.« Mit echtem Mitgefühl berührte sie mit ihrer Wange die von Angélique. »Ich hoffe wirklich, daß wir Freundinnen sein werden.« Ein besonderes Lächeln. »Bitte, lassen Sie uns Freundinnen sein. Ich werde eine Freundin brauchen, nicht wahr? Jamie sagte mir, was für eine gute Freundin Sie ihm sind.«
»Sie brauchen nicht zu bitten, Maureen – darf ich Sie Maureen nennen, und würden Sie bitte Angélique zu mir sagen?« erwiderte sie mit einem speziellen Lächeln. Sie nahm die freundlich und unaggressiv ausgedrückte Warnung zur Kenntnis und verstand, daß Jamie persönliches Eigentum war, mit dem man nicht flirtete. »Ach, es wäre so gut, eine Freundin zu haben. Vielleicht könnten wir morgen zusammen Tee trinken?«
»Das würde mich freuen. Angélique – was für ein hübscher Name, und was für ein hübsches Kleid.« Etwas zu figurbetont für ein Trauerkleid.
»Das Ihre auch, die Farbe paßt wundervoll zu Ihrem Haar.« Grüne Seide, teuer, aber englisch und von altmodischem Schnitt. Macht nichts. Das läßt sich verbessern, wenn sie eine intime Freundin wird. »Jamie war sehr mit meinem Mann befreundet und auch mit mir, als ich dringend einen Freund brauchte. Sie haben großes Glück«, sagte sie aufrichtig. »Seien Sie vorsichtig, Jamie, man kann leicht sehen, daß diese Dame sehr kostbar ist – es gibt zu viele Piraten in Yokohama.«
Die Umstehenden lachten, und sie verließ sie und ging zu Sir William zurück, wobei sie unterwegs Ketterer begrüßte – ein besonderes Kompliment und ein Lächeln für ihn und später für Marlowe – und dann auch Settry Pallidar, der großartig aussah und Sergejew in seiner Kosakenuniform Konkurrenz machte. »Ach, Sir William«, sagte sie. »Welch ein Glück wir doch haben.«
»Daß wir…« Sergejew hielt gerade noch rechtzeitig inne. Daß wir noch am Leben sind, hätte er beinahe gesagt. Statt dessen nahm er ein Glas Champagner von einem Silbertablett, das ein livrierter
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